Kapitalertragsteuererstattung durch den Kommanditisten

Ob eine Kommanditgesellschaft gegen ihren Kommanditisten einen Anspruch darauf hat, dass er ihr den auf Kapitalerträge der Gesellschaft entfallenden Teil der Kapitalertragsteuer erstattet, der von dem Kapitalertragsschuldner einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wird, richtet sich nach dem Gesellschaftsvertrag.

Es kann dabei für den Bundesgerichtshof im hier entschiedenen Fall dahingestellt bleiben, ob ein bereicherungsrechtlicher Anspruch der Kommanditgesellschaft gegen den Kommanditisten auf Erstattung der von der Schuldnerin vor dem Jahr 2005 abgeführten Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge besteht, ob der Kommanditgesellschaft ein Erstattungsanspruch auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage zusteht oder ob das Entnahmerecht des Kommanditisten auch in der Insolvenz der Schuldnerin besteht. Ein etwaiger Erstattungsanspruch wäre jedenfalls gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB (für Kapitalerträge in 2001 ggf. in Verbindung mit Art. 226 Abs. 4 Satz 1 EGBGB) verjährt. Die Verjährungsfrist hätte für den jeweiligen Anspruch bereits mit der Erhebung der Zinsabschläge und der Kenntnisnahme der Kommanditgesellschaft von den entsprechenden Abzügen begonnen und wäre nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts abgelaufen, bevor die Kommanditgesellschaft auf die Hemmung der Verjährung gerichtete Maßnahmen ergriffen hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei einer werbenden Personenhandelsgesellschaft die gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 EStG durch Abzug auf Kapitalerträge der Gesellschaft erhobene Einkommensteuer (Kapitalertragsteuer) vermögensmäßig als Abzug von Gesellschaftskapital anzusehen und durch deren steuerliche Anrechnung auf die Einkommensteuer des Gesellschafters wie eine Entnahme ihres Gesellschafters zu behandeln1. Der Abzug der Kapitalertragsteuer von den Kapitalerträgen der ihrerseits nicht einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtigen Personenhandelsgesellschaft bewirkt im Hinblick auf die Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld der Gesellschafter als Mitunternehmer nach § 2 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, die entweder zur Minderung der Einkommensteuerschuld des Gesellschafters oder zu einer Steuererstattung nach § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG führt. Der hierdurch erlangte Vorteil kann zivilrechtlich nicht anders bewertet werden, als sei der Gesellschaft zunächst der gesamte Kapitalertrag zugeflossen und sodann von ihr im Umfang der Kapitalertragsteuer zur Leistung einer Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld der Gesellschafter verwendet worden2. Ob die Gesellschaft gegen ihren Gesellschafter einen Anspruch darauf hat, dass er ihr den einbehaltenen Teil der Kapitalertragsteuer erstattet, richtet sich sodann nach dem Gesellschaftsvertrag3. Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Erhebung der Solidaritätszuschläge (§ 1 Abs. 2 SolZG 1995).

Ob ein im Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der einbehaltenen Steuerbeträge vereinbartes Entnahmerecht des Gesellschafters nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personenhandelsgesellschaft entfällt, der Insolvenzverwalter für die Insolvenzmasse dann den vollen Kapitalertrag beanspruchen kann und der Gesellschafter ihm somit wie das Berufungsgericht angenommen hat die auf den Kapitalertrag erhobene Einkommensteuer zu erstatten hat, wird unterschiedlich beurteilt. In der Rechtsprechung und von einem Teil des Schrifttums wird mit unterschiedlicher Begründung ein Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse gegen den Gesellschafter bejaht4, teils nur unter der Voraussetzung, dass der Zinsabschlag zur Anrechnung auf die Steuerschuld des Gesellschafters gelangt5. Von einem anderen Teil des Schrifttums wird dagegen erwogen, dem Gesellschafter zur Vermeidung unangemessener Zurechnungsfolgen ein gesetzliches Steuerentnahmerecht entsprechend § 110 HGB zuzugestehen, das er auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft ausüben kann und das aus der Masse zu bedienen ist6.

Der Bundesgerichtshof muss die Frage, ob und gegebenenfalls auf welcher Rechtsgrundlage der Gesellschafter zur Erstattung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlägen verpflichtet ist, die auf Kapitalerträge der Insolvenzmasse abgezogen worden sind, im Streitfall nicht entscheiden. Ein auf Erstattung der abgeführten Zinsabschläge gerichteter Anspruch der Kommanditgesellschaft wäre, wenn man ihn bejahen wollte, unabhängig von seiner rechtlichen Einordnung als bereicherungsrechtlicher oder aus dem Gesellschaftsvertrag abgeleiteter Anspruch innerhalb von drei Jahren nach seiner Entstehung verjährt (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB; Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB).

Ein Erstattungsanspruch wäre bereits mit der Abführung der Zinsabschläge entstanden.

Ein Anspruch ist im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann7. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Leistung fällig ist, § 271 Abs. 1 BGB8.

Der auf Erstattung einer unberechtigten Entnahme gerichtete Anspruch der Gesellschaft ist, wie sich aus § 111 HGB ergibt, mit Herausnahme des Geldes aus der Gesellschaftskasse fällig9. Wird wie im Streitfall zu unterstellen eine einer unberechtigten Entnahme gleichkommende Vermögensverschiebung dadurch bewirkt, dass die Gesellschaft durch die Abführung von Zinsabschlägen eine Vorauszahlung auf eine Steuerschuld des Gesellschafters leistet, entsteht der Anspruch der Gesellschaft auf Erstattung des Geleisteten bereits mit der den Anrechnungsanspruch des Gesellschafters gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auslösenden Erhebung der Kapitalertragsteuer. Mit der Entstehung des Anrechnungsanspruchs ist die für den Erstattungsanspruch maßgebliche Vermögensverschiebung zu Gunsten des Gesellschafters bewirkt.

Der BGH-Entscheidung vom 30.01.199510 ist nicht zu entnehmen, dass der Anspruch stets nur in dem Umfang be- und entsteht, in welchem dem Gesellschafter die von der Gesellschaft abgeführten Zinsabschläge tatsächlich vom Finanzamt aufgrund deren Geltendmachung im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung angerechnet worden sind. Die von der Revision in Bezug genommenen Ausführungen des Bundesgerichtshofs sind vor dem Hintergrund der im damaligen Streitfall maßgeblichen Regelung im Gesellschaftsvertrag der werbenden Gesellschaft zu sehen, nach der ein Steuerentnahmerecht der beklagten Kommanditistin nur beschränkt auf die von ihr tatsächlich zu entrichtenden persönlichen Steuern bestand. Danach war die in Anspruch genommene Gesellschafterin befugt, den auf ihre persönliche Steuerlast entfallenden Anteil der Kapitalertragsteuer zu entnehmen und der Anspruch der Gesellschaft war von vornherein auf den Teil der von der Gesellschaft abgeführten Steuer begrenzt, der bei der Gesellschafterin zu einem Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt führte. Nur deshalb entstand im dortigen Fall ein Erstattungsanspruch der Gesellschaft erst zu einem Zeitpunkt, zu dem aufgrund des Einkommensteuerbescheids der Gesellschafterin feststand, dass sie einen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt hatte. Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch im dortigen Fall die Gesellschafterin bereits mit der Erhebung der Kapitalertragsteuer einen Vermögensvorteil in Gestalt des Anrechnungsrechts nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG erlangt hatte11.

Im vorliegenden Fall hatte die Kommanditgesellschaft von der Erhebung der Zinsabschläge für die Jahre 2001 bis 2004 vor dem 31.12.2005 Kenntnis. Er kannte damit die mögliche Erstattungsansprüche der Schuldnerin begründenden Tatsachen, so dass diese Ansprüche spätestens mit dem Ablauf des Jahres 2008 verjährt wären, ohne dass die Kommanditgesellschaft auf die Hemmung der Verjährung gerichtete Maßnahmen ergriffen hat.

Es besteht, so der Bundesgerichtshof weiter, auch kein Schadenersatzanspruch gegen den Kommanditisten bezüglich der Zinsabschläge für das Jahr 2001 wegen der Nichtrealisierung des Anrechnungsrechts gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Wie aufgezeigt, würde ein angenommener Anspruch der Gesellschaft auf Erstattung der aus ihren Zinseinkünften abgeführten Kapitalertragsteuern unabhängig davon bestehen, ob der Gesellschafter sein daraus folgendes Anrechnungsrecht gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG wirtschaftlich im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung verwertet12. Der Gesellschafter ist damit unter dem Gesichtspunkt der gesellschafterlichen Treuepflicht schon nicht verpflichtet, sein Anrechnungsrecht zu realisieren. Vor allem entsteht der Gesellschaft aber durch die Nichtrealisierung kein Schaden.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. April 2013 – II ZR 118/11

  1. vgl. BGH, Urteil vom 30.01.1995 – II ZR 42/94, ZIP 1995, 462, 464 []
  2. vgl. BGH, Urteil vom 30.01.1995 – II ZR 42/94, ZIP 1995, 462, 464 []
  3. BGH, Urteil vom 30.01.1995 – II ZR 42/94, ZIP 1995, 462, 464 []
  4. vgl. OLG Dresden, GmbHR 2005, 238, 239; LG Freiburg, ZIP 1999, 2063, 2064 f.; MünchKomm-InsO/Kling/Schüppen/Ruh, 2. Aufl., Insolvenzsteuerrecht Rn. 65, 70; Mitlehner, NZI 2002, 143, 145; Onusseit, EWiR 1999, 1169, 1170; Onusseit/Kunz, Steuern in der Insolvenz, 2. Aufl., Rn. 577, 591 []
  5. vgl. Boochs in FKInsO, 7. Aufl., § 155 Rn. 691; Schöne/Ley, DB 1993, 1405, 1410 []
  6. vgl. K. Schmidt, Festschrift 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e.V., 1999, S.193, 198 ff.; Fischer in Westermann, Hdb Personengesellschaften, 54. Lfg., § 11 Rn. 1542, 1547 ff.; zu den sich aus dem Steuerabzug ergebenden zivil- und steuerrechtlichen Problemen vgl. ferner BFH, BFHE 177, 257, 262; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl., S. 166 f.; Kahlert in Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl., Rn.09.835 f.; Olbing, Steuerrecht in der Insolvenz, 2010, S. 78 f.; J. Roth, Insolvenz Steuerrecht, 2011, Rn.04.159; Uhländer in Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 9. Aufl., Rn. 1564; Benne, BB 2001, 1977, 1982; Neumann in Beermann/Gosch, AO, § 251 Rn. 86 []
  7. BGH, Urteil vom 16.09.2010 – IX ZR 121/09, ZIP 2010, 2164 Rn. 22 mwN; für § 198 Satz 1 BGB aF: BGH, Urteil vom 17.02.1971 – VIII ZR 4/70, BGHZ 55, 340, 341 []
  8. BGH, Beschluss vom 25.01.2012 – XII ZB 461/11, NJW-RR 2012, 579 Rn. 14; vgl. auch BGH, Urteil vom 05.05.2010 – III ZR 209/09, BGHZ 185, 310 Rn. 21 []
  9. Goette in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 111 Rn. 24 mwN []
  10. BGH, Urteil vom 30.01.1995 – II ZR 42/94, ZIP 1995, 462 []
  11. vgl. BGH, Urteil vom 30.01.1995 – II ZR 42/94, ZIP 1995, 462, 464; Palandt/Sprau, BGB, 72. Aufl., § 812 Rn. 10; siehe auch BFH, DStR 1994, 97; BFH, DStR 1996, 1526; Uhländer in Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 9. Aufl., Rn. 1566 []
  12. aA OLG Dresden, GmbHR 2005, 238, 240 []