Schokoladenstäbchen – und die graphische Darstellbarkeit als Marke
Die graphische Darstellbarkeit und die für die Bejahung der Markenfähigkeit erforderliche hinreichende Bestimmtheit einer Marke im Sinne von Art. 2 MarkenRL gehören zu den wesentlichen Grundlagen des harmonisierten Markenrechts und fallen daher unter den Begriff der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 3 PVÜ, Art. 5 Abs. 1 MMA.
Den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit eines Zeichens im Sinne von Art. 2 MarkenRL, § 3 Abs. 1 MarkenG genügt es nicht, wenn sich der Gegenstand einer Anmeldung auf unterschiedliche Erscheinungsformen erstreckt.
Die wegen Unbestimmtheit fehlende Markenfähigkeit ist nicht nur im Eintragungsverfahren relevant, sondern kann auch zur Schutzentziehung einer bereits eingetragenen Marke führen.
Einer nach dem Madrider Markenabkommen international registrierten Marke ist der Schutz für Deutschland zu entziehen, wenn der Gegenstand des Schutzes nicht hinreichend deutlich bestimmt ist.
Die Schutzentziehung gemäß § 107 Abs. 1, § 115 Abs. 1, § 50 Abs. 1 und 2 MarkenG einer im Ursprungsland vorschriftsmäßig eingetragenen IR-Marke setzt nach Art. 5 Abs. 1 MMA voraus, dass ein in Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 1 bis 3 PVÜ genannter Grund vorliegt1. Nach Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 3 PVÜ darf einer Marke der Schutz entzogen werden, wenn sie gegen die öffentliche Ordnung verstößt.
Die graphische Darstellung der eingetragenen Marke muss so klar und eindeutig bestimmt sein, dass eine genaue Identifizierung und Bestimmung des Schutzgegenstandes gewährleistet ist. Das hat auch für international registrierte Marken zu gelten, deren Schutz auf Deutschland erstreckt worden ist. Zu den Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 3 PVÜ unterfallenden wesentlichen Prinzipien des Markenrechts gehört das Bestimmtheitsgebot.
Zu den wesentlichen Grundlagen des harmonisierten Markenrechts, die unter die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 3 PVÜ fallen, gehört die graphische Darstellbarkeit und die für die Annahme der Markenfähigkeit erforderliche Bestimmtheit des angemeldeten oder eingetragenen Zeichens im Sinne von Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. a MarkenRL2.
Nach Art. 2 MarkenRL, der durch § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 MarkenG in das deutsche Markenrecht umgesetzt worden ist, können Marken alle Zeichen sein, die sich graphisch darstellen lassen. Die Bedeutung des Erfordernisses der graphischen Darstellbarkeit und der Bestimmtheit der Eintragung der Marke liegt darin, der Beurteilung der Marke im Eintragungsverfahren eine festgelegte Form zugrunde legen zu können, die Eintragung der Marke in das Register überhaupt zu ermöglichen und durch Veröffentlichung der Eintragung die Allgemeinheit über die in Kraft stehenden Marken und ihren Schutzbereich zu unterrichten3. Danach genügt ein Zeichen den Anforderungen nach Art. 2 MarkenRL nicht, wenn sich der Gegenstand der Anmeldung auf eine Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen erstrecken kann und deshalb nicht klar bestimmt ist4. Die Frage der graphischen Darstellbarkeit und der Bestimmtheit der IR-Marke ist im Rahmen der Schutzentziehung nach Art. 5 MMA in Verbindung mit Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 3 PVÜ nicht der Überprüfung entzogen. An eine international registrierte Marke, deren Schutz auf Deutschland erstreckt ist oder werden soll, sind insoweit keine geringeren Anforderungen zu stellen als an nationale Marken oder Gemeinschaftsmarken5.
Grundlage für die Beurteilung der Schutzfähigkeit einer international registrierten Marke ist ihre Eintragung im Ursprungsland6. Das folgt aus Art. 3 Abs. 1 Halbs. 2 MMA. Danach bescheinigt die Behörde des Ursprungslandes, dass die Angaben in dem Gesuch um internationale Registrierung denen des nationalen Registers entsprechen.
Dabei lässt der Bundesgerichtshof das Argument nicht gelten, die angegriffene IR-Marke sei in einer Vielzahl von Ländern geschützt, ohne dass die fehlende Bestimmtheit der graphischen Wiedergabe beanstandet worden sei. Das Deutsche Patent- und Markenamt und die deutschen Gerichte sind bei der Prüfung der Schutzhindernisse nicht an die Beurteilung ausländischer Behörden gebunden7.
Allerdings ist im vorliegenden Fall für den Bundesgerichtshof – entgegen der Beurteilung des Bundespatentgerichts – die Streitmarke nicht im Hinblick auf die Darstellung der Wellenform unbestimmt. Der maßgeblichen Abbildung ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass das Stäbchen Kurven und Wellen nur in einer Ebene aufweist. In der Abbildung fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Marke die räumliche Gestalt eines sich in Art eines Korkenziehers um eine gedachte Achse oder Mittellinie drehenden oder sich windenden Stäbchens aufweist. Weiter ist dem farblich hellen Schnitt am linken Ende und der hellen und dunklen Darstellung der Oberseite des Stäbchens in perspektivisch eindeutiger Weise zu entnehmen, dass die Abbildung ein Stäbchen mit einem nicht ovalen, sondern runden Querschnitt zeigt.
Der Bundesgerichtshof teilt auch nicht die Bedenken des Bundespatentgerichts dagegen, dass der Anmeldung und der Eintragung der Streitmarke nur eine einzige Abbildung zugrunde liegt. Das Bundespatentgericht hat im vorliegenden Fall die Frage aufgeworfen, ob bei einer komplexen dreidimensionalen Gestaltung nicht regelmäßig mehrere Ansichten eingereicht werden müssen, die den Gegenstand aus allen denkbaren Perspektiven wiedergeben. Ein derartiges Erfordernis lässt sich in dieser Allgemeinheit weder den Bestimmungen der Pariser Verbandsübereinkunft noch der Markenrechtsrichtlinie entnehmen. Entsprechendes gilt für die deutschen markenrechtlichen Bestimmungen. § 9 Abs. 1 MarkenV sieht mehr als eine Ansicht nicht zwingend vor. Auch aus dem Bestimmtheitsgebot ergibt sich nicht, dass eine dreidimensionale Marke regelmäßig von allen Seiten abzubilden ist. Dementsprechend sind dreidimensionale Marken, die nicht von allen Seiten dargestellt waren, in der Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs nicht wegen fehlender Bestimmtheit beanstandet worden8. Wird allerdings nur eine Ansicht einer dreidimensionalen Marke eingereicht, kann dies im Einzelfall zu einer Einschränkung des Schutzumfangs führen, weil dieser ausschließlich durch den in der Anmeldung und Eintragung sichtbaren Teil der Marke bestimmt wird.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28. Februar 2013 – I ZB 56/11
- vgl. BGH, Beschluss vom 05.04.1990 – I ZB 7/89, BGHZ 111, 134, 135 IR-Marke FE; Beschluss vom 17.11.2005 – I ZB 12/04, GRUR 2006, 589 Rn. 12 = WRP 2006, 900 Rasierer mit drei Scherköpfen; Bodenhausen, Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, 1971, Seite 96 [↩]
- vgl. Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 3 Rn. 383; Kirschneck in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 3 Rn. 17 und 22; Kur in Festschrift von Mühlendahl, 2005, S. 361, 373; aA Hildebrandt, MarkenR 2002, 1, 3 [↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 12.12.2002 – C-273/00, Slg. 2002, I-11737 = GRUR 2003, 145 Rn. 47 bis 51 Sieckmann; Urteil vom 24.06.2004 – C-49/02, Slg. 2004, I-6129 = GRUR 2004, 858 Rn. 26 bis 30 Heidelberger Bauchemie; BGH, Beschluss vom 25.03.1999 – I ZB 23/98, GRUR 1999, 730 f. = WRP 1999, 853 Farbmarke magenta/grau; Beschluss vom 05.10.2006 – I ZB 73/05, BGHZ 169, 175 Rn. 13 Tastmarke [↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 25.01.2007 – C-321/03, Slg. 2007, I-687 = GRUR 2007, 231 Rn. 37 bis 40 Dyson; BGH, Beschluss vom 05.10.2006 – I ZB 86/05, BGHZ 169, 167 Rn. 13 f. Farbmarke gelb/grün II; Urteil vom 19.02.2009 – I ZR 195/06, BGHZ 180, 77 Rn. 31 UHU; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, 2. Aufl. Rn. 453 [↩]
- vgl. Fezer aaO § 3 Rn. 383; Kirchschneck in Ströbele/Hacker aaO § 3 Rn. 22 [↩]
- vgl. BPatGE 33, 135, 137; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 113 Rn. 7; Kober-Dehm in Ströbele/Hacker aaO § 113 Rn. 4 [↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 12.02.2004 C- 218/01, Slg. 2004, I1725 = GRUR 2004, 428 Rn. 63 Henkel; BGH, Beschluss vom 06.07.1995 I ZB 27/93, BGHZ 130, 187, 195 Füllkörper, Beschluss vom 03.04.2008 I ZB 46/05, GRUR 2008, 1000 Rn. 22 = WRP 2008, 1432 Käse in Blütenform II [↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 14.09.2010 – C-48/09, Slg. 2010, I-8403 = GRUR Int.2010, 985 Rn. 7, 24 und 68 bis 74 Lego; hierzu auch EuG, Urteil vom 12.11.2008 – T-270/06, Slg. 2008, I-I3117 = GRUR Int.2009, 508 Rn. 73 = WRP 2009, 36 Lego Juris A/S/HABM; BGH, Beschluss vom 20.11.2003 – I ZB 46/98, GRUR 2004, 505, 506 = WRP 2004, 761 Rado-Uhr II; Beschluss vom 09.07.2008 – I ZB 88/07, GRUR 2010, 138 Rn. 21 = WRP 2010, 260 ROCHER-Kugel [↩]