Die von der Eintragung abweichende Markennutzung

Bei der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung in einer von der Eintragung der Marke abweichenden Form im Sinne von § 26 Abs. 3 MarkenG können ausnahmsweise die für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr entwickelten Grundsätze zu einer gespaltenen Verkehrsauffassung herangezogen werden. Dies ist gerechtfertigt, wenn feststellbar ist, dass der Gebrauch des Kennzeichens gegenüber einem objektiv abgrenzbaren Verkehrskreis erfolgt, wie dies bei einem bestimmten Sprachkreis der Fall ist.

Wird die eingetragene Marke mit einem Zusatz verbunden, der in der türkischen Sprache das vertriebene Produkt beschreibt (hier: Sosis), ist von einer rechtserhaltenden Nutzung durch das zusammengesetzte Kennzeichen (hier: Pinar Sosis) auszugehen, wenn die Produkte in Deutschland weit überwiegend in türkischen Lebensmittelgeschäften an der türkischen Sprache mächtige Kunden vertrieben werden.

Wird die Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt, liegt eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG nur vor, wenn die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern. Das ist der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, das heißt in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht1. Wird eine Wortmarke in graphisch oder farblich gestalteter Form benutzt oder werden bildliche Elemente hinzugefügt, ist zu berücksichtigen, dass Marken in der Praxis regelmäßig nicht isoliert verwendet werden, sondern dem Verkehr häufig verbunden mit weiteren Angaben, Zeichen, Aufmachungen und Farben entgegentreten. Haben diese weiteren Elemente einen Bezug zur Funktion der Marke als Herkunftshinweis und handelt es sich nicht lediglich um allgemeine Sachangaben oder werbliche Hervorhebungsmittel, kann sich daraus eine Änderung des kennzeichnenden Charakters der Marke ergeben2. Allerdings werden graphische und farbliche Hinzufügungen und Gestaltungen nicht selten einen lediglich dekorativen, verzierenden Charakter haben, denen der Verkehr keine Bedeutung für den kennzeichnenden Charakter der eingetragenen Marke und der benutzten Form beimisst3.

Wird die eingetragene Marke mit einem zusätzlichen Zeichenbestandteil benutzt, kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Die Verwendung von zwei Zeichen zur Kennzeichnung einer Ware legt es in der Regel nahe, dass der Verkehr darin ein aus zwei Teilen bestehendes zusammengesetztes Zeichen erblickt. Denkbar ist aber auch, dass der Verkehr in der Kennzeichnung keinen einheitlichen Herkunftshinweis, sondern zwei voneinander zu unterscheidende Zeichen sieht. In solchen Fällen können sowohl die Haupt- als auch die Zweitmarke auf die betriebliche Herkunft hinweisen mit der Folge, dass beide für sich genommen rechtserhaltend benutzt werden. Dies kommt in Betracht, wenn der Verkehr an die Verwendung von Zweitkennzeichen gewöhnt ist, etwa bei Serienzeichen, oder wenn es sich bei einem der beiden Zeichen um den dem Verkehr bekannten Namen des Unternehmens handelt4.

Werden einer Marke beschreibende Wortelemente hinzugefügt, die nur die Art, Bestimmung oder sonstige Eigenschaften der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen beschreiben, bleibt der kennzeichnende Charakter der Marke regelmäßig unberührt5.

In diesem Fall kommt dem hinzugefügten Wortbestandteil wegen seines rein beschreibenden Charakters keine eigene herkunftshinweisende Funktion zu6.

Bei der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung durch eine von der Eintragung der Marke abweichende Form im Sinne von § 26 Abs. 3 MarkenG ist auf die Verkehrsauffassung abzustellen7. Hierbei kann zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise, zum Maßstab des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers und zu den Regeln über die Feststellung der Verkehrsauffassung auf die zur Verwechslungsgefahr entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden8. Zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise ist auf diejenigen Abnehmer abzustellen, die die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen nachfragen. Dabei sind die Waren oder Dienstleistungen ihrer gattungsmäßigen Art nach und nach ihren objektiven Merkmalen zugrunde zu legen9. Die maßgeblichen Warengattungen sind nach dauerhaften charakteristischen Kriterien zu beurteilen und nicht nach Werbekonzeptionen oder Vermarktungsstrategien, die jederzeit geändert werden können10.

Maßgeblich ist die Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen durchschnittlichen Angehörigen des angesprochenen Verkehrskreises11. Die Annahme einer gespaltenen Verkehrsauffassung ist mit der Sichtweise eines Durchschnittsverbrauchers im Grundsatz nicht zu vereinbaren12.

Eine andere Beurteilung ist ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn die Sicht verschiedener Verkehrskreise zu ermitteln ist, die sich wie etwa der allgemeine Verkehr und Fachkreise oder unterschiedliche Sprachkreise objektiv voneinander abgrenzen lassen13. Innerhalb eines einzigen Verkehrskreises scheidet dagegen eine gespaltene Verkehrsauffassung aus14.

Das Oberlandesgericht Köln15 hat zu Recht – ebenso wie das Bundespatentgericht16 – die für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr entwickelten Grundsätze zu einer gespaltenen Verkehrsauffassung auch für die Prüfung einer rechtserhaltenden Benutzung im Sinne von § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG herangezogen. Dies ist im Streitfall ausnahmsweise gerechtfertigt, weil der Gebrauch der Marke vorliegend gegenüber einem objektiv abgrenzbaren Verkehrskreis erfolgt. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Köln handelt es sich bei den der türkischen Sprache mächtigen Kunden um einen abgrenzbaren Verkehrskreis. Das OLG Köln hat sich dabei maßgeblich auf das von den Klägerinnen vorgelegte Verkehrsgutachten gestützt. Nach diesem Verkehrsgutachten spricht der überwiegende Anteil der befragten Kunden (51,4%) türkischer Lebensmittelgeschäfte Türkisch. Hier setzt die Beklagte mindestens 80 % der mit ihrer Marke gekennzeichneten Würstchendosen ab.

Diesem Ergebnis steht die BGH-Entscheidung „Duff Beer“17 nicht entgegen. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass für die Bestimmung der Verkehrsauffassung die Ausrichtung der Kennzeichnung des Warenangebots auf diejenigen Verkehrskreise, die eine bestimmte Zeichentrickserie kennen, nicht maßgeblich ist, weil Werbekonzepte und Marketingstrategien jederzeit verändert werden können18. Damit ist die vorliegende Fallkonstellation nicht vergleichbar. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Auffassung des durchschnittlichen Angehörigen der Fachkreise maßgeblich ist, wenn die Ware an Fachkreise vertrieben wird19.

Die Heranziehung der Grundsätze zur gespaltenen Verkehrsauffassung führt nicht zu einem Wertungswiderspruch zur Beurteilung der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG. Diese erfolgt im Eintragungs- und Löschungsverfahren ausschließlich im Hinblick auf die eingetragene Marke „PINAR“, die nicht um weitere Bestandteile zu ergänzen ist20. Der Eintragung der Marke „PINAR“ steht für Wurstwaren unabhängig, ob der Verkehrskreis des deutsch- oder türkischsprachigen Publikums maßgeblich ist das Schutzhindernis mangelnder Unterscheidungskraft oder eines Freihaltebedürfnisses nicht entgegen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. November 2014 – I ZR 114/13

  1. vgl. BGH, Urteil vom 18.12 2008 – I ZR 200/06, GRUR 2009, 772 Rn. 39 = WRP 2009, 971 – Augsburger Puppenkiste; Urteil vom 19.11.2009 – I ZR 142/07, GRUR 2010, 729 Rn. 17 = WRP 2010, 1046 – MIXI; Urteil vom 14.04.2011 – I ZR 41/08, GRUR 2011, 623 Rn. 55 = WRP 2011, 886 – Peek & Cloppenburg II; Urteil vom 05.12 2012 – I ZR 135/11, GRUR 2013, 725 Rn. 13 = WRP 2013, 1034 – Duff Beer []
  2. vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 26 Rn. 153 ff. []
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 09.07.1998 – I ZB 7/96, GRUR 1999, 167, 168 = WRP 1998, 1083 Karolus-Magnus; Beschluss vom 30.03.2000 – I ZB 41/97, GRUR 2000, 1038, 1039 = WRP 2000, 1161 Kornkammer; BGH, GRUR 2010, 729 Rn. 21 MIXI; GRUR 2013, 725 Rn.19 Duff Beer; BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 38/13, GRUR 2014, 662 Rn. 18 = WRP 2014, 856 – Probiotik []
  4. BGH, Urteil vom 08.02.2007 – I ZR 71/04, GRUR 2007, 592 Rn. 13 ff. = WRP 2007, 958 – bodo Blue Night, mwN; BGH, GRUR 2011, 623 Rn.20 – Peek & Cloppenburg II []
  5. BGH, Beschluss vom 09.07.1998 – I ZB 37/96, GRUR 1999, 54, 55 = WRP 1998, 1081 – Holtkamp; Beschluss vom 15.12 1999 – I ZB 29/97, GRUR 2000, 1040, 1041 = WRP 2000, 1161 FRENORM/FRENON []
  6. BGH, Urteil vom 18.10.2007 – I ZR 162/04, GRUR 2008, 616 Rn. 16 = WRP 2008, 802 – AKZENTA; BGH, GRUR 2009, 772 Rn. 45 – Augsburger Puppenkiste []
  7. vgl. BGH, GRUR 2009, 772 Rn. 39 Augsburger Puppenkiste; GRUR 2010, 729 Rn. 17 – MIXI; GRUR 2011, 623 Rn. 55 – Peek & Cloppenburg II []
  8. BGH, GRUR 2013, 725 Rn. 31 – Duff Beer; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 26 Rn. 18 []
  9. vgl. BGH, Beschluss vom 21.02.2008 – I ZB 24/05, GRUR 2008, 710 Rn. 32 = WRP 2008, 1087 VISAGE; BGH, GRUR 2013, 752 Rn. 32 Duff Beer []
  10. vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2001 – I ZR 100/99, GRUR 2002, 340, 341 = WRP 2002, 330 Fabergé; BGH, GRUR 2008, 710 Rn. 32 VISAGE; GRUR 2013, 725 Rn. 33 Duff Beer []
  11. EuGH, Urteil vom 06.10.2005 – C-120/04, Slg. 2005, I-8551 = GRUR 2005, 1042 Rn. 28 THOMSON LIFE; Urteil vom 09.03.2006 – C-421/04, Slg. 2006, I-2304 = GRUR 2006, 411 Rn. 24 Matratzen Concord; BGH, Urteil vom 27.03.2013 – I ZR 100/11, GRUR 2013, 631 Rn. 64 = WRP 2013, 778 AMARULA/Marulablu; BGH, Beschluss vom 10.07.2014 – I ZB 18/13, GRUR 2014, 872 Rn. 13 = WRP 2014, 1062 Gute Laune Drops; vgl. auch EuGH, Urteil vom 22.09.2011 – C-323/09, Slg. 2011 I-8625 = GRUR 2011, 1124 Rn. 50 Interflora []
  12. vgl. BGH, GRUR 2013, 631 Rn. 64 AMARULA/Marulablu; BGH, Urteil vom 24.07.2014 – I ZR 221/12, GRUR 2014, 1013 Rn. 33 = WRP 2014, 1184 Original Bach-Blüten []
  13. vgl. BGH, Beschluss vom 01.06.2011 – I ZB 52/09, GRUR 2012, 54 Rn. 9 = WRP 2012, 83 Maalox/Melox-GRY; BGH, GRUR 2014, 1013 Rn. 33 Original Bach-Blüten []
  14. vgl. BGH, GRUR 2013, 631 Rn. 64 AMARULA/Marulablu []
  15. OLG Köln, Urteil vom 17.05.2013 – 6 U 208/12 []
  16. BPatG, Beschlüsse vom 28.11.2005 – 30 W [pat] 215/03; und 30 W [pat] 216/03, PINAR []
  17. BGH, GRUR 2013, 725 []
  18. BGH, aaO Rn. 33 []
  19. vgl. EuGH, Urteil vom 26.04.2007 – C-412/05 P, Slg. 2007, I-3569 = GRUR Int.2007, 718 Rn. 88 bis 99 TRAVATAN/TRIVASTAN; BGH, GRUR 2012, 64 Rn. 9 Maalox/Melox-GRY []
  20. vgl. BGH, Beschluss vom 10.06.2010 – I ZB 39/09, GRUR 2011, 65 Rn. 17 = WRP 2011, 65 Buchstabe T mit Strich; Beschluss vom 10.07.2014 – I ZB 81/13, GRUR 2015, 173 Rn. 22 = WRP 2015, 195 for you []