Aktienverpfändung
Inhaberaktien, die in einer bei einer Wertpapiersammelbank verwahrten Sammelurkunde verbrieft sind, können nach den Vorschriften über das Pfandrecht an beweglichen Sachen verpfändet werden; dies gilt auch, wenn es sich bei der Sammelurkunde um eine Dauerglobalurkunde handelt. Durch die Verpfändung von Inhaberaktien begibt sich der Aktieninhaber regelmäßig nicht der verbrieften Mitgliedschaftsrechte.
Die Bestellung eines Pfandrechts an beweglichen Sachen erfolgt durch Einigung und – vorbehaltlich der Regelung des § 1205 Abs. 1 Satz 2 BGB – Übergabe (§ 1205 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Übergabe kann ersetzt werden (§ 1205 Abs. 2, § 1206 BGB). Geht es wie im Streitfall um Inhaberaktien, die in einer bei einer Wertpapiersammelbank verwahrten Sammelurkunde verbrieft sind, kommt eine Verpfändung kurzer Hand nach § 1205 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht, wenn Pfandgläubiger die Depotbank werden soll. Soll die Verpfändung an einen Dritten erfolgen, ist eine Ersetzung der Übergabe gemäß § 1205 Abs. 2 BGB je nach den Besitzverhältnissen möglich. Für die Wirksamkeit der Pfandrechtsbestellung sind bei sammelverwahrten Aktien die Besitzverhältnisse an der Sammelurkunde maßgeblich. Ist die Depotbank nicht (mittelbare) Besitzerin der an diese zu verpfändenden Aktien, scheidet eine Pfandrechtsbestellung nach § 1205 Abs. 1 Satz 2 BGB aus; ist der Inhaber der Aktien nicht mittelbarer Besitzer, kann auch die Verpfändung an einen Dritten unter Ersetzung der Übergabe gemäß § 1205 Abs. 2 BGB nicht erfolgen.
Eine Sammelurkunde, in der die Aktien hier verbrieft waren, ist ein Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft, die jedes für sich in vertretbaren Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein könnten (§ 9a Abs. 1 Satz 1 DepotG). Der Aktieninhaber erwirbt Miteigentum an der Sammelurkunde nach Bruchteilen. Für die Bestimmung des Bruchteils ist der Wertpapiernennbetrag maßgebend, bei Wertpapieren ohne Nennbetrag die Stückzahl (§ 9a Abs. 2 iVm § 6 Abs. 1 DepotG). Der Miteigentümer oder Hinterleger kann grundsätzlich verlangen, dass ihm Wertpapiere in Höhe des Nennbetrags, bei Wertpapieren ohne Nennbetrag in Höhe der Stückzahl der in Verwahrung genommenen Wertpapiere ausgeliefert werden (§ 9a Abs. 2 iVm §§ 7, 8 DepotG; § 695 Satz 1, § 985 BGB). Hierzu hat der Aussteller die Sammelurkunde insoweit durch einzelne Wertpapiere zu ersetzen, als dies für die Auslieferung erforderlich ist (§ 9a Abs. 3 Satz 1 DepotG). Ist allerdings der Aussteller nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis nicht verpflichtet, an die Inhaber der in der Sammelurkunde verbrieften Rechte einzelne Wertpapiere auszugeben, kann auch von der Wertpapiersammelbank die Auslieferung von einzelnen Wertpapieren nicht verlangt werden (§ 9a Abs. 3 Satz 2 DepotG). Eine derart verfestigte Sammelurkunde wird als Dauerglobalurkunde bezeichnet1.
Unmittelbare Fremdbesitzerin einer jeden von ihr verwahrten Sammelurkunde ist die Wertpapiersammelbank. Sie vermittelt den beteiligten Depotbanken gleichstufigen Mitbesitz an der Sammelurkunde. Die Depotbanken sind mittelbare Fremdbesitzer erster Stufe. Das gemäß § 868 BGB erforderliche Besitzmittlungsverhältnis folgt aus den vertraglichen Beziehungen zwischen der Wertpapiersammelbank und den Depotbanken. Nach diesen ist die Wertpapiersammelbank verpflichtet, den Depotbanken den Besitz an den bei ihr verwahrten Sammelbestandanteilen eines Girosammelbestands zu verschaffen (Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 der AGB der C. AG; vgl. Berger, aaO S. 579). Der für das Besitzmittlungsverhältnis maßgebliche Herausgabeanspruch wird nach den im heutigen Massengeschäft geltenden Grundsätzen in der Regel ohne effektive Übertragung, das heißt ohne körperliche Bewegung von Wertpapierurkunden, im Effektengiroverkehr erfüllt. Dabei wird die Besitzverschaffung mittels Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft durch die Umbuchung von Girosammel-Depotgutschriften ersetzt. Dies gilt unabhängig davon, ob herausgabefähige einzelne Wertpapiere existieren oder durch eine Sammelurkunde ersetzt sind. Insbesondere wenn die Auslieferung einzelner Wertpapiere wie im Falle einer Dauerglobalurkunde ausgeschlossen ist, kann der auf Verschaffung eines mittelbaren Mitbesitzes an der Sammelurkunde gerichtete Herausgabeanspruch nur durch eine Umbuchung erfüllt werden2. Dementsprechend sieht Nr. 8 Abs. 1 Satz 2 der AGB der C. AG vor, dass sich der Übergang des Mitbesitzes ihrer Kunden an Sammelbestandanteilen in Wertpapieren in der Weise vollzieht, dass es auf Anweisung einer Depotbank zu einer Belastung deren Depotkontos kommt, der entsprechende Sammelbestandanteil einer anderen Bank gutgeschrieben wird und die C. AG ihr Besitzmittlungsverhältnis von der einen auf die andere Bank umstellt.
Auch zwischen Depotbank und dem hinterlegenden Aktieninhaber besteht ein Verhältnis der in § 868 BGB bezeichneten Art. Der Aktieninhaber ist mittelbarer Eigenbesitzer zweiter Stufe (§ 871 BGB). Ob die Ansprüche aus den §§ 7, 8 DepotG bestehen oder eine Auslieferung von einzelnen Wertpapieren wie im Falle der Dauerglobalurkunde nicht verlangt werden kann (§ 9a Abs. 3 Satz 2 DepotG), ist dabei ohne Bedeutung3. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Ansprüche aus den §§ 7, 8 DepotG das besitzrechtliche Korrelat zu den Miteigentumsanteilen des am Sammelbestand Mitberechtigten darstellen4. Der Hinterleger ist auch dann mittelbarer Besitzer, wenn die Rechte in einer (einfachen) Sammelurkunde oder einer Dauerglobalurkunde verbrieft sind. Die körperliche Bewegung von Wertpapierurkunden wird auch in diesem Rechtsverhältnis durch die Umbuchung von Girosammel-Depotgutschriften ersetzt5. Diese Sicht betont die Verkehrsfähigkeit sammelverwahrter Wertpapiere und berücksichtigt den Willen des Gesetzgebers, der davon abgesehen hat, den Schritt zum Wertrecht unter Abkehr vom Wertpapier zu vollziehen6. Auch die herrschende Ansicht im Schrifttum hat sich dem angeschlossen7.
Danach war auch im Streitfall die C. AG unmittelbare Fremdbesitzerin. Jeweils in der Form des Mitbesitzes an der Sammelurkunde waren zudem die Gläubigerbanken mittelbare Fremdbesitzerinnen erster Stufe und der Schuldner mittelbarer Eigenbesitzer zweiter Stufe8. Die streitbefangenen Aktien waren daher wirksam an die Gläubigerbanken verpfändet, und zwar kurzer Hand nach § 1205 Abs. 1 Satz 2 BGB9. Der nur mittelbare Besitz der Gläubigerbanken hinderte die Pfandrechtsbestellung gemäß § 1205 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB nicht, weil ihnen der Besitz nicht vom Schuldner vermittelt wurde10.
Durch die Verpfändung begibt sich der Aktieninhaber grundsätzlich nicht der verbrieften Mitgliedschaftsrechte11. Der Pfandgläubiger ist regelmäßig nur zur Befriedigung aus dem Pfandgegenstand nach Eintritt der Pfandreife berechtigt, nicht zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte12. Dies kann es rechtfertigen, die Aktien weiterhin der wirtschaftlichen Einheit des Schuldnerunternehmens zuzurechnen und deshalb ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters anzunehmen.
Im Schrifttum wird erwogen, das Verwertungsrecht davon abhängig zu machen, ob das verpfändete Aktienpaket besser durch den Verwalter zu verwerten ist13. Angeknüpft wird dabei an die Größe des Aktienpakets, die im Einzelfall mit Blick auf das Verwertungsrecht zu bewerten14 oder nach typisierender Betrachtung bei Erreichen der 5 v.H.-Grenze des § 21 WpHG gegeben sein soll15. Dem ist nur insoweit zuzustimmen, als nicht der mittelbare Besitz einer einzelnen Aktie das Verwertungsrecht aus § 166 Abs. 1 InsO begründen kann. Zusätzlich erforderlich ist, dass die Aktienbeteiligung im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung16 der wirtschaftlichen Einheit des Schuldnervermögens zuzurechnen ist.
Regelmäßig richtet sich die Zugehörigkeit einer beweglichen Sache zur wirtschaftlichen Einheit des Schuldnervermögens zwar nach den Besitzverhältnissen. Ohne eine Besitzposition, die auf eine Zugehörigkeit des Gegenstands zur wirtschaftlichen Einheit schließen lässt, kann ein Verwertungsrecht des Verwalters nicht angenommen werden. Hier steht aber die Herleitung des Verwertungsrechts bei lediglich mittelbarem Besitz wegen der erforderlichen einschränkenden Auslegung des § 166 Abs. 1 InsO gegenüber dem ein besseres Besitzrecht ausübenden Pfandgläubiger über die dem Aktieninhaber trotz Verpfändung verbleibenden Mitgliedschaftsrechte in Rede. Gelangt man zu einem Verwertungsrecht nur über die zusätzlich zum mittelbaren Besitz verbliebenen Mitgliedschaftsrechte, ist eine Verwertungsbefugnis des Verwalters durch Sinn und Zweck des § 166 Abs. 1 InsO nicht gedeckt, wenn der fragliche Aktienbesitz gar nicht durch die Mitgliedschaftsrechte geprägt ist, sondern allein der Vermögensanlage dient. Die dem Aktieninhaber verbliebenen Mitgliedschaftsrechte sind dann für den konkreten Aktienbesitz ohne Bedeutung.
Diese Wertung ergibt sich auch aus dem sonstigen Regelungszusammenhang.
Gemäß § 104 Abs. 2 Satz 1, 2 Nr. 2 InsO kann der Verwalter die Erfüllung eines Wertpapiergeschäfts nicht verlangen, wenn nicht der Erwerb einer Beteiligung an einem Unternehmen zur Herstellung einer dauernden Verbindung zu diesem Unternehmen beabsichtigt ist. Der Gesetzgeber unterscheidet auch hier ausdrücklich zwischen einem Finanzgeschäft und dem Erwerb eines Unternehmensanteils17. Auf diesem Wege sollen Kursspekulationen durch den Verwalter verhindert werden18. Dies stützt die Ablehnung eines Verwertungsrechts des Insolvenzverwalters mit Blick auf einen nur der Vermögensanlage dienenden Aktienbesitz. Zur Möglichkeit einer Kursspekulation darf auch das Verwertungsrecht nach § 166 Abs. 1 InsO nicht verhelfen.
Deshalb kann auf die von § 104 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InsO getroffene Differenzierung zwischen Finanzgeschäft und Erwerb eines Unternehmensanteils auch für die Frage des Verwertungsrechts zurückgegriffen werden. Ein Verwertungsrecht kann danach angenommen werden, wenn der Aktienbesitz eine Unternehmensbeteiligung repräsentiert. Eine bestimmte Anteilsquote ist grundsätzlich nicht erforderlich. Allerdings gelten nach § 271 Abs. 1 Satz 3 HGB im Zweifel als Beteiligung Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die insgesamt den fünften Teil des Nennkapitals dieser Gesellschaft überschreiten. Diese Zweifelsregel kann auch für das Verwertungsrecht nach § 166 Abs. 1 InsO herangezogen werden19. Diese Grenze ist im vorliegenden Fall überschritten. Gelangte man nicht schon auf diesem Wege zur Annahme einer Unternehmensbeteiligung, spielten neben der Anteilsquote weitere Faktoren eine Rolle, etwa eine über den bloßen Aktienbesitz hinausgehende Verbindung des Schuldners zu der Aktiengesellschaft.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. September 2015 – IX ZR 272/13
- vgl. Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 208; Berger, WM 2009, 577 [↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.11.2004 – XI ZR 200/03, BGHZ 161, 189, 191 f; vom 30.11.2004 – XI ZR 49/04, NJW-RR 2005, 1135, 1136; jeweils für den Herausgabeanspruch des Aktieninhabers gegen die Depotbank [↩]
- aA Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl., Rn. 2124 f, 2133; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1680 f; Mentz/Fröhling, aaO S. 210 [↩]
- so aber Münch-Komm-HGB/Einsele, 3. Aufl., Depotgeschäft Rn. 93 f [↩]
- BGH, Urteil vom 30.11.2004 – XI ZR 200/03, aaO; vom 30.11.2004 – XI ZR 49/04, aaO [↩]
- BT-Drs. 13/10038 S. 25 zu § 10 Abs. 5 AktG in der Fassung vom 27.04.1998; vgl. auch Nodoushani, WM 2007, 289, 290 [↩]
- etwa Berger, WM 2009, 577, 578 ff; Staudinger/Wiegand, BGB, 2009, § 1293 Rn. 5; Nodoushani, aaO S. 295 f; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1549 f; KK-AktG/Lutter/Drygala, 3. Aufl., § 68 Rn. 45; Großkomm-AktG/Merkt, 4. Aufl., § 68 Rn. 166 [↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.04.1997 – XI ZR 127/96, WM 1997, 1136 [↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.04.1997, aaO; Großkomm-AktG/Merkt, aaO Rn. 163 [↩]
- BGH, Urteil vom 22.04.1997, aaO; Hoffmann, aaO S. 1550 mwN [↩]
- Bamberger/Roth/Sosnitza, BGB, 3. Aufl., § 1293 Rn. 3; Bitter/Alles, KTS 2013, 113, 132 f; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1553 f; MünchKomm-BGB/Damrau, 6. Aufl., § 1293 Rn. 8; Nodoushani, WM 2007, 289, 290 [↩]
- vgl. RGZ 139, 224, 228; 157, 52, 54 f; BGH, Urteil vom 13.07.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191, 194 f; jeweils für den GmbH-Anteil [↩]
- Bitter/Alles, aaO S. 146, 148, 149; Hirte/Knof, WM 2008, 49, 54 f [↩]
- so Hirte/Knof, aaO S. 56 [↩]
- so Bitter/Alles, aaO S. 148 ff [↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.02.2006 – IX ZR 26/05, BGHZ 166, 215 Rn. 27; vom 16.11.2006 – IX ZR 135/05, WM 2007, 172 Rn. 9; jeweils zu den Auswirkungen einer späteren Veränderung der Verhältnisse [↩]
- BT-Drs. 12/7302 S. 168 [↩]
- vgl. BT-Drs. 12/7302 S. 167 f [↩]
- vgl. Häcker, Abgesonderte Befriedigung aus Rechten, 2001, Rn. 439 [↩]