Rückversicherung oder Darlehn? – das Geschäft der Rückversicherungsgesellschaft
Für die Abgrenzung eines Rückversicherungsvertrags von einem (verdeckten) Darlehensvertrag bei Lebensversicherungen kommt es darauf an, ob ein hinreichender Risikotransfer von dem Erstversicherer auf den Rückversicherer stattfindet. Dafür reicht es im Rahmen eines Summenexzedenten-Vertrags aus, dass aus der Sicht des Rückversicherers die tatsächliche Möglichkeit eines nachteiligen Verlaufs des Erstversicherungsverhältnisses besteht.
Eine Rückzahlungspflicht bezüglich der von der M. Leben vereinnahmten Rückversicherungsprovisionen, die zu passivieren gewesen wäre, hat das Oberlandesgericht nicht angenommen. Dabei hat es zutreffend darauf abgestellt, dass ein Rückversicherungsvertrag der vorliegenden Art seinem Wesen nach neben der Risikoteilung als Hauptfunktion immer auch eine Dienstleistungs- und Finanzierungsfunktion hat und dass die Grenze zu einem verdeckten Darlehensvertrag erst überschritten ist, wenn mit der Rückversicherung kein Übergang eines signifikanten Versicherungsrisikos verbunden ist, wenn also der Risikotransfer gegenüber dem Finanzierungsanteil vernachlässigbar gering ist. Diese Voraussetzung hat es nicht festzustellen vermocht. Dabei hat es berücksichtigt, dass die von der M. Leben angebotenen Lebensversicherungsverträge fondsgebunden waren und daher im Erlebensfall kein fester Auszahlungsbetrag, sondern ein Anspruch auf die Fondsanteile oder deren Wert zugesagt war. Damit lag das Kapitalanlagerisiko insoweit nicht beim Versicherer, sondern beim Versicherungsnehmer. Dennoch bestand ein versicherungstechnisches Risiko im Todesfall des Versicherungsnehmers. Denn die M. Leben war nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts im Todesfall verpflichtet, über das Fondsguthaben hinaus zusätzliche Leistungen zu erbringen, wenn dieses Guthaben nicht mindestens 60 % der Beitragssumme erreichte.
Die Rückversicherung ist eine Versicherung der vom Versicherer übernommenen Gefahr (vgl. § 779 Abs. 1 HGB in der bis zum 31.12 2008 geltenden Fassung). In der Form des hier vorliegenden Summenexzedenten-Vertrages übernimmt der Rückversicherer einen festgelegten Teil des Risikos, wenn ein vereinbarter Selbstbehalt überschritten wird1. Dabei muss zur Abgrenzung von der reinen Finanzierungsfunktion ein „hinreichender“ Risikotransfer stattfinden, vgl. § 4 Abs. 1 und 3 der Verordnung über Finanzrückversicherungsverträge und Verträge ohne hinreichenden Risikotransfer2, § 121e VAG. Nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 FinRVV ist u.a. dann von einem hinreichenden Risikotransfer auszugehen, wenn der Rückversicherer im Rahmen einer realistischen Betrachtung durch eine Übertragung von versicherungstechnischem Risiko und von Zeitpunktrisiko über die Gesamtlaufzeit des Vertrages mit einer Mindestwahrscheinlichkeit einen nicht unerheblichen Verlust erleiden wird. Im Schrifttum wird das Merkmal „hinreichend“ teilweise mit „signifikant“ gleichgesetzt3. Andere verwenden den Begriff „ausreichend“4 oder fordern einen „geringen“ Risikotransfer5.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 1. Juli 2014 – II ZB 29/12
- Bender/Nell/Winterhalder, VW 2000, 171, bei Fn. 16 [↩]
- Finanzrückversicherungsverordnung – FinRVV [↩]
- Dreher/Lange, WM 2009, 193, 195 [↩]
- Laars, VAG, 2. Aufl., § 121e Rn. 2 [↩]
- Bender/Nell/Winterhalder, VW 2000, 171 nach Fn. 30 [↩]