Heilmittelwerbung in Adwords-Anzeigen – und die Pflichtangaben

Eine Google-Adwords-Anzeige für ein Arzneimittel verstößt nicht allein deshalb gegen § 4 HWG, weil die Pflichtangaben nicht in der Anzeige selbst enthalten sind. Es ist vielmehr ausreichend, dass die Anzeige einen eindeutig als solchen klar erkennbaren elektronischen Verweis enthält, der unzweideutig darauf hinweist, dass der Nutzer über ihn zu den Pflichtangaben gelangt; der elektronische Verweis muss zu einer Internetseite führen, auf der die Pflichtangaben unmittelbar, das heißt ohne weitere Zwischenschritte leicht lesbar wahrgenommen werden können.

Das in § 4 HWG geregelte Gebot, in der Werbung für Arzneimittel Pflichtangaben zu machen, dient in erster Hinsicht dem Schutz der gesundheitlichen Interessen der Verbraucher und ist dementsprechend dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln1.

Wie sich aus dem Schutzzweck des § 4 HWG ergibt, steht der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG im Streitfall nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die in ihrem Anwendungsbereich eine vollständige Harmonisierung des Lauterkeitsrechts bezweckt und die Frage der Unlauterkeit von Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern abschließend regelt, keinen dieser Vorschrift vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Gemäß Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9 lässt diese Richtlinie die Rechtsvorschriften der Union und der Mitgliedstaaten in Bezug auf Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt2.

Gemäß § 4 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 3 HWG müssen in der Werbung für Arzneimittel außerhalb der Fachkreise die Bezeichnung des Arzneimittels und seine Anwendungsgebiete angegeben werden. Nach § 4 Abs. 4 HWG müssen diese Angaben von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt, abgegrenzt und gut lesbar sein. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG ist zudem der Text „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker” gut lesbar und von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt und abgegrenzt anzugeben.

Anzeigen, bei denen es sich um eine Werbung für ein Arzneimittel außerhalb der Fachkreise im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG handelt, verstoßen allerdings nicht bereits deshalb gegen § 4 HWG, weil die Pflichtangaben nicht in den GoogleAdwordsAnzeigen selbst enthalten sind. Es ist vielmehr ausreichend, wenn die Pflichtangaben mittels eines elektronischen Verweises in der AdwordsAnzeige zugänglich gemacht werden.

Ob es den Anforderungen an § 4 HWG genügt, wenn die in dieser Vorschrift verlangten Pflichtangaben bei einer Arzneimittelwerbung im Internet nicht auf der Webseite oder in der Anzeige selbst aufgeführt sind, sondern mittels eines dort vorhandenen elektronischen Verweises aufgerufen werden können, bestimmt sich maßgeblich nach Sinn und Zweck des § 4 HWG. Dieser besteht darin, den Verbraucher vollständig über bestimmte medizinisch relevante Merkmale eines Arzneimittels und insbesondere über dessen Indikationen und Wirkungsweise zu informieren und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, sich über das jeweilige Präparat vor einem Kaufentschluss ein sachbezogenes Bild zu machen3. Dies setzt zunächst voraus, dass die Pflichtangaben, die vom Gesetzgeber als notwendiges Gegengewicht und Korrektiv zu regelmäßig nur positiven Werbeaussagen gedacht sind, vom Werbeadressaten als sachlich informativer Teil der Gesamtwerbung erkannt werden. Darüber hinaus erfordert die Gewährleistung der vom Gesetzgeber beabsichtigten Gesamtinformation insbesondere, dass die Wahrnehmung der Pflichtangaben dem Leser keinen zusätzlichen Aufwand oder besonderen Einsatz abfordert; denn nach der Lebenserfahrung wird ein erheblicher Teil der Angesprochenen eine für die nähere Wahrnehmung erforderliche Mühe scheuen und sich auf das Lesen des vom Werbenden ausgesuchten regelmäßig auffälliger und leicht lesbar gestalteten positiven Teils der Werbung beschränken.

Grundsätzlich sind daher Maßnahmen, mit denen dem Leser die – mit der Forderung „gut lesbar“ gemeinte – leichte Wahrnehmung der Pflichtangaben erschwert wird, mit dem Schutzzweck des Gesetzes unvereinbar4. Es gilt das Erfordernis, dass die Pflichtangaben ohne besondere Konzentration und Anstrengung wahrgenommen werden können5.

Bei der Bestimmung dessen, was ohne besondere Konzentration und Anstrengung wahrgenommen werden kann, sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls maßgebend, namentlich die Besonderheiten des Werbemediums. Bei einer Werbung im Internet ist zu berücksichtigen, dass der durchschnittliche Nutzer mit den Besonderheiten des Internets vertraut ist; er weiß, dass Informationen zu angebotenen Waren auf mehrere Seiten verteilt sein können, die untereinander durch elektronische Verweise („Links“) verbunden sind6 und vom Nutzer unschwer durch einfachen Mausklick aufgesucht werden können. Dabei wird der Verkehr insbesondere diejenigen Internetseiten als zusammengehörig auffassen, die er zur Information über die von ihm ins Auge gefasste Ware benötigt oder zu denen er durch Links oder durch klare und unmissverständliche Hinweise auf ihre inhaltliche Verbundenheit geführt wird7. Zu berücksichtigen ist ferner die Besonderheit von AdwordsAnzeigen auf der Internetseite des Suchmaschinenbetreibers Google. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie regelmäßig nur schlagwortartige werbliche Kurzangaben enthalten, die ähnlich einer Überschrift dazu einladen, den in der Anzeige enthaltenen Link zu benutzen, um ausführlichere Informationen zu erhalten8.

Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass es den Anforderungen des § 4 Abs. 3 und 4 HWG genügt, wenn eine AdwordsAnzeige für ein Arzneimittel einen eindeutig als solchen klar erkennbaren elektronischen Verweis enthält, der unzweideutig darauf hinweist, dass der Nutzer über ihn zu den Pflichtangaben gelangt, und der auch tatsächlich zu einer Internetseite führt, auf der die Pflichtangaben unmittelbar, das heißt ohne weitere Zwischenschritte leicht lesbar wahrgenommen werden können9. Dies kann dadurch geschehen, dass der elektronische Verweis unmittelbar, das heißt ohne weitere Mausklicks zur einer Internetseite führt, auf der sich allein die Pflichtangaben befinden. In diesem Fall ist es unschädlich, wenn die Pflichtangaben wegen der Größe des vom Verbraucher benutzten Bildschirms nur durch Scrollen vollständig wahrgenommen werden können. Enthält die Internetseite dagegen noch weitere Inhalte, ist das Unmittelbarkeitskriterium nur dann erfüllt, wenn der elektronische Verweis den Verbraucher direkt zu der Stelle der Seite führt, wo sich die Pflichtangaben befinden. Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn der Verbraucher lediglich die Möglichkeit hat, auf der verlinkten Seite durch Scrollen die Pflichtangaben aufzusuchen.

Im Streitfall sind die Voraussetzungen der zulässigen Pflichtangaben durch Verlinkung nicht erfüllt.

In der ersten der beiden angegriffenen Anzeigen fehlt es bereits an einem klar erkennbaren elektronischen Verweis, der unzweideutig darauf hinweist, dass der Nutzer über ihn zu den Pflichtangaben gelangen kann. Dass die Überschrift „Bei entzündeten Atemwegen“ als Link ausgestaltet war, genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass der Begriff „Pflichtangaben“ oder eine entsprechend eindeutige Formulierung in der Anzeige selbst verwendet wird. In der zweiten Anzeige erfüllt die Angabe „www. .de/Pflichttext_hier“ zwar in- haltlich die Anforderungen an einen unzweideutigen Hinweis. Allerdings war diese Angabe im Streitfall nach den getroffenen Feststellungen nicht als elektronischer Verweis ausgestaltet, so dass sie bereits deshalb nicht geeignet war, dem Verbraucher die Wahrnehmung der Pflichtangaben ohne besonderen Aufwand zu ermöglichen.

Im Streitfall ist keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union veranlasst. Nach den vorstehenden Ausführungen bestehen hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG keine vernünftigen Zweifel10. Art. 89 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG lässt Raum für eine nationale Regelung, nach der die Bezeichnung des Arzneimittels, der Anwendungsgebiete und die gut erkennbare Pflichtangabe im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG in einer Publikumswerbung erforderlich ist11. Auf die Frage, ob das weitere formale Erfordernis gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 HWG, wonach die Pflichtangaben von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt und abgegrenzt erfolgen müssen, seine Grundlage in der Richtlinie 2001/83/EG hat12, kommt es im Streitfall nicht an. Die Bestimmung des § 4 HWG unterliegt auch im Blick auf Art. 34 und 36 AEUV sowie im Hinblick auf verfassungsrechtliche Bestimmungen keinen Bedenken13.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Juni 2013 – I ZR 2/12

  1. vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2008 I ZR 100/04, GRUR 2009, 509 Rn. 24 = WRP 2009, 625 Schoenenberger Artischockensaft; Urteil vom 26.03.2009 – I ZR 213/06, BGHZ 180, 355 Rn. 27 ff. Festbetragsfestsetzung []
  2. vgl. BGH, Urteil vom 28.09.2011 – I ZR 96/10, GRUR 2012, 647 Rn. 11 = WRP 2012, 705 INJECTIO, mwN []
  3. BGH, Urteil vom 29.04.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Rn. 29 Erinnerungswerbung im Internet, mwN []
  4. vgl. BGH, Urteil vom 07.06.1990 – I ZR 206/88, GRUR 1991, 859, 860 Leserichtung bei Pflichtangaben []
  5. BGH, Beschluss vom 18.04.1996 I ZR 108/93, NJWE-WettbR, 1996, 265 []
  6. BGH, Urteil vom 04.10.2007 – I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 Rn. 30 = WRP 2008, 98 Versandkosten []
  7. BGH, Urteil vom 16.12.2004 – I ZR 222/02, GRUR 2005, 438, 441 = WRP 2005, 480 Epson-Tinte; Urteil vom 07.04.2005 I ZR 314/02, GRUR 2005, 690, 692 = WRP 2005, 886 Internet-Versandhandel; Urteil vom 20.07.2006 – I ZR 228/03, GRUR 2007, 159 Rn.19 ff. = WRP 2006, 1507 Anbieterkennzeichnung im Internet []
  8. vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2011 – I ZR 119/10, GRUR 2012, 81 Rn. 14 f. = WRP 2012, 962 Innerhalb 24 Stunden []
  9. vgl. Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 4. Aufl., § 4 Rn. 139; Reinhart in Gröning, Heilmittelwerberecht, 2009, § 4 HWG Rn. 103; v. Czettritz, PharmR 2004, 22; Reese, PharmR 2004, 269; Dierks/Backmann, PharmR 2011, 257, 260; für Werbung gegenüber Fachkreisen ebenso KG, PharmR 2004, 23, 24; Mand in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 2. Aufl., § 4 HWG Rn. 60; aA Doepner, HWG, 2. Aufl., § 4 Rn. 69; Ernst, PharmR 1998, 195, 199; Riegger, Heilmittelwerberecht, 2009, § 4 HWG Rn.20 []
  10. vgl. EuGH, Urteil vom 06.10.1982 – 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 CILFIT []
  11. vgl. BGH, GRUR 2009, 509 Rn. 13 Schoenenberger Artischockensaft; BGHZ 180, 355 Rn. 31 Festbetragsfestsetzung []
  12. vgl. dazu Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius aaO § 4 Rn. 125 f. mwN []
  13. BGH, GRUR 2009, 509 Rn. 13 f. Schoenenberger Artischockensaft []