Der Diesel als Geschäftsfahrzeug – und die Verjährungshemmung durch eine Musterfeststellungsklage

Die Verjährung wird nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB nur gehemmt, wenn ein Verbraucher einen Anspruch zur Musterfeststellungsklage anmeldet.

Dagegen hemmt die Anmeldung eines vom Autokäufer nicht in der Eigenschaft als Verbraucher erworbenen Anspruchs nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB die Verjährung nicht.

Dagegen steht der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs des Verbrauchers gemäß §§ 826, 31 BGB1 die von der Hersteller erhobene Einrede der Verjährung entgegen (§ 214 Abs. 1 BGB), wenn die Anmeldung des Anspruchs des Verbrauchers zur Musterfeststellungsklage die Verjährung nicht innerhalb der laufenden Verjährungsfrist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB gehemmt hat und die spätere Erhebung der Klage nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu einer Hemmung der zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufenen dreijährigen Verjährungsfrist führen konnte.

Der Anspruch des Autokäufers aus §§ 826, 31 BGB verjährt gemäß § 195 BGB in drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Beide Voraussetzungen lagen in dem hier entschiedenen „Dieselfall“ spätestens mit dem Schluss des Jahres 2016 vor. Der Anspruch des Autokäufers gegen die Autoherstellerin aus §§ 826, 31 BGB entstand mit Abschluss des Kaufvertrags im Jahr 2013. Das Berufungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die subjektiven Merkmale des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bis zum Schluss des Jahres 2016 gegeben waren. Insoweit zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der Autokäufer habe nicht erheblich bestritten, dass er bereits im letzten Quartal 2015 Kenntnis vom „Diesel“ bzw. „Abgasskandal“ im Allgemeinen gehabt habe2. Es kann dahinstehen, ob der Autokäufer – wie vom Berufungsgericht angenommen – seine Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs bereits im Jahr 2015 nicht erheblich bestritten hat, denn das Berufungsgericht hat durch Verweis auf den entsprechenden Vortrag der Autoherstellerin hinreichende Feststellungen dazu getroffen, dass der Autokäufer jedenfalls im Jahre 2016 die konkrete Betroffenheit seines Fahrzeugs ohne grobe Fahrlässigkeit hätte kennen müssen. Weiter hatte der Autokäufer Kenntnis von der Relevanz dieser Betroffenheit für seine Kaufentscheidung, wobei diese Kenntnis nicht gesondert festgestellt werden muss, sondern naturgemäß beim Geschädigten vorhanden ist3.

Die Verjährung wurde im vorliegenden Fall auch nicht durch die Erhebung der Musterfeststellungsklage und die Anmeldung des Anspruchs des Autokäufers im Jahr 2018 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB gehemmt:

Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Autokäufer seinen Schadensersatzanspruch am 31.12.2018 zu dem zu der Musterfeststellungsklage gegen die Autoherstellerin vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Klageregister angemeldet hat (§ 608 Abs. 1 ZPO). Die Musterfeststellungsklage wurde – worauf es für den Zeitpunkt der Hemmung alleine ankommt4 – nach den Feststellungen des Berufungsgerichts5 der Autoherstellerin vor dem 15.11.2018 zugestellt.

Der Autokäufer hat seinen Anspruch gegen die Autoherstellerin aber nicht wirksam zum Klageregister angemeldet, weil er den Anspruch als Unternehmer und nicht als Verbraucher erworben hat und die Anmeldung eines Anspruchs durch einen Unternehmer von § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB nicht erfasst wird.

Der Wortlaut der Regelungen des Musterfeststellungsverfahrens im Buch 6 der Zivilprozessordnung und deren Systematik ergeben, dass die Anmeldung zu einer Musterfeststellungsklage nur Verbrauchern eröffnet ist.

Nach § 608 Abs. 1 ZPO können Verbraucher Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die von den Feststellungszielen abhängen, zur Eintragung in das Klageregister anmelden. Nach § 613 Abs. 1 Satz 1 ZPO bindet ein rechtskräftiges Musterfeststellungsurteil das zur Entscheidung eines Rechtsstreits zwischen einem angemeldeten Verbraucher und dem Autoherstellerin berufene Gericht, soweit dessen Entscheidung die Feststellungsziele und den Lebenssachverhalt der Musterfeststellungsklage betrifft. Außerdem ist nach § 613 Abs. 2 ZPO unter diesen Voraussetzungen ein Verfahren bis zur Entscheidung über die Musterfeststellungsklage auszusetzen, wenn ein Verbraucher nach Klageerhebung seinen Anspruch oder sein Rechtsverhältnis zum Klageregister anmeldet. Nach § 148 Abs. 2 ZPO kann ein Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Autokäufers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei. Danach haben Unternehmer keinen Zugang zum Musterfeststellungsverfahren und können wirksam Forderungen nicht zum Klageregister anmelden.

Der Autokäufer ist in Bezug auf die angemeldete Forderung gegen die Autoherstellerin kein Verbraucher im Sinne der §§ 606 ff., § 29c Abs. 2 ZPO, wobei unerheblich ist, dass allein aus der Unternehmereigenschaft des Autokäufers nach § 2 UStG nicht ohne weiteres auf seine Qualifikation als Unternehmer in anderen Regelungszusammenhängen geschlossen werden kann6.

Der Gesetzgeber hat in § 29c Abs. 2 ZPO gerade im Hinblick auf die neu geschaffene Musterfeststellungsklage für das Prozessrecht eine Legaldefinition des Verbrauchers aufgenommen. Danach ist Verbraucher jede natürliche Person, die bei dem Erwerb des Anspruchs oder der Begründung des Rechtsverhältnisses nicht überwiegend im Rahmen ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Zu dieser Legaldefinition sah sich der Gesetzgeber veranlasst, weil der materiellrechtliche Verbraucherbegriff des § 13 BGB die Verbrauchereigenschaft an den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit einem Verbraucher anknüpft. Der Gesetzgeber hielt es zur verbesserten Durchsetzung von Verbraucherrechten für zweckmäßig, den Begriff des Verbrauchers für die prozessuale Geltendmachung weiter zu fassen, um auch eine Einbeziehung konkurrierender gesetzlicher Ansprüche eines Verbrauchers zu ermöglichen. Aus diesem Grund sollte nicht auf die rechtsgeschäftliche Entstehung des einzelnen Anspruchs abgestellt werden, sondern vielmehr darauf, dass der Anspruchsteller bei Erwerb des Anspruchs oder der Begründung des Rechtsverhältnisses nicht überwiegend im Rahmen seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelte7.

Nach diesen Maßstäben war der Autokäufer kein Verbraucher im Sinne von § 29c Abs. 2 ZPO. Der Autokäufer hat den schadensauslösenden Kaufvertrag unter seiner Firma abgeschlossen. Das Fahrzeug war seinem Betrieb zugeordnet.

Die Anmeldung eines vom Autokäufer nicht in der Eigenschaft als Verbraucher erworbenen Anspruchs hemmte nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB die Verjährung nicht.

In der Literatur ist streitig, ob die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB gehemmt wird, wenn ein Unternehmer seine Forderung zum Klageregister anmeldet. Einerseits wird vertreten, auch die Anmeldung eines „vermeintlichen Verbrauchers“ hemme die Verjährung8. Andererseits wird angenommen, die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB komme nur bei Ansprüchen von Verbrauchern gegen Unternehmer in Betracht, denn nur Verbraucher könnten ihre Ansprüche wirksam im Sinne des § 608 ZPO zum Klageregister anmelden (§ 606 Abs. 1 Satz 1 ZPO; BeckOGK BGB/Meller-Hannich, Stand: 1.06.2022, § 204 Rn. 112).

Die zuletzt genannte Ansicht trifft zu. Die Verjährung wird nur gehemmt, wenn ein Verbraucher einen Anspruch zur Musterfeststellungsklage anmeldet.

Das ergibt zunächst der systematische Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften. Anders als die Regelungen zur Musterfeststellungsklage gemäß §§ 606 ff. ZPO spricht der Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB zwar von einem Anspruch eines Gläubigers, nicht einschränkend von einem Anspruch eines Verbrauchers. Auch wird nur die in § 608 Abs. 1 ZPO formulierte Anmeldevoraussetzung, dass die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von den Feststellungszielen abhängen, ausdrücklich als Voraussetzung für die Hemmung in § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB genannt, wenn dort ausgesprochen wird, dass dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegen muss wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage9.

Gleichwohl setzt auch § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB eine Anmeldung als Verbraucher voraus. § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB verlangt, dass der Gläubiger seinen Anspruch zu dem zu der Musterfeststellungsklage geführten Klageregister „wirksam“ angemeldet hat. Damit wird auf § 608 Abs. 2 ZPO verwiesen. Nach dieser Regelung ist eine Anmeldung nur wirksam, wenn sie frist- und formgerecht erfolgt und die dort genannten Angaben enthält, insbesondere die Angabe von Name und Anschrift des Verbrauchers. Die für die wirksame Anmeldung zur Musterfeststellungsklage maßgeblichen Kriterien gelten somit auch innerhalb des § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB.

Unerheblich ist, dass gemäß § 608 Abs. 2 Satz 3 ZPO die Richtigkeit der nach § 608 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu machenden Angaben bei der Anmeldung nicht geprüft wird, sondern erst im Nachfolgeprozess, wenn der Geschädigte seine individuellen Ansprüche gegen den Musterfeststellungsbeklagten geltend macht10. Denn die Verbindlichkeit der gesetzlichen Vorgaben hängt nicht vom Zeitpunkt ihrer Nachprüfung ab.

Darüber hinaus spricht auch die Gesetzgebungsgeschichte für eine einschränkende Auslegung des § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB. Mit der Schaffung des neuen Hemmungstatbestandes in § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass angemeldete Verbraucher, die den Ausgang der Musterfeststellungsklage im Hinblick auf die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils abwarten, nicht durch den Ablauf von Verjährungsfristen während der Dauer der Musterfeststellungsklage daran gehindert werden, ihren Anspruch nach Abschluss des Musterfeststellungsverfahrens erfolgreich gerichtlich durchzusetzen11. Anlass, Unternehmer in den gleichen Genuss der Hemmungswirkung zu bringen, besteht nicht, weil ein Unternehmer einen Anspruch zur Musterfeststellungsklage nicht anmelden kann12. Konsequent wird daher von den prozessualen Wirkungen der Anmeldung, namentlich der Bindungswirkung des § 613 Abs. 1 ZPO, nur ein Verbraucher erfasst, nicht ein Unternehmer. Auch weist § 148 Abs. 2 ZPO dem Unternehmer den Weg zu einer eigenen Klage, die bei Vorgreiflichkeit der Musterfeststellungsklage ausgesetzt werden kann13.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. September 2022 – VIa ZR 124/22

  1. BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316; Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 []
  2. vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2022 – VII ZR 365/21, NJW 2022, 1311 Rn. 17; Urteil vom 10.02.2022 – VII ZR 396/21, VersR 2022, 899 Rn. 18 f. []
  3. vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2022 – VII ZR 692/21, MDR 2022, 559 Rn. 3032; Urteil vom 10.02.2022 – VII ZR 396/21, VersR 2022, 899 Rn. 16, 26, 27 []
  4. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – VI ZR 1118/20, BGHZ 231, 1 Rn. 24; Urteil vom 19.10.2021 – VI ZR 189/20, MDR 2022, 97 Rn. 16; Urteil vom 27.01.2022 – VII ZR 303/20, WM 2022, 440 Rn. 11 []
  5. vgl. auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 23.11.2018 – 4 MK 1/18 1 []
  6. vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2020 – XI ZR 461/18, WM 2020, 781 Rn. 16 ff. []
  7. vgl. BT-Drs.19/2439, S. 21; OLG Dresden, Urteil vom 31.03.2021 – 5 MK 3/20, BeckRS 2021, 9159 Rn. 24; BeckOK ZPO/Lutz, Stand: 1.07.2022, § 606 Rn. 12 []
  8. BeckOK ZPO/Lutz, Stand: 1.07.2022, § 608 Rn. 22; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2019, § 204 Rn. 48e; wohl auch Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl.2022, § 608 Rn. 3 []
  9. vgl. BeckOK ZPO/Lutz, Stand: 1.07.2022, § 608 Rn. 22; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2019, § 204 Rn. 48e f. []
  10. vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2019, § 204 Rn. 48e []
  11. BT-Drs.19/2439, S. 29 zu Art. 6 Nr. 1 []
  12. vgl. BeckOGK BGB/Meller-Hannich, Stand: 1.06.2022, § 204 Rn. 112 []
  13. vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2019, § 204 Rn. 48e []