Das Unternehmenskennzeichen des Lizenznehmers
Ein vom Lizenzgeber während der Vertragsbeziehung erworbenes Kennzeichenrecht geht dem Kennzeichenrecht des Lizenznehmers vor, das dieser ebenfalls während des Laufs des Lizenzvertrags erlangt hat, weil die Stellung des Lizenznehmers im Verhältnis zum Lizenzgeber nach Beendigung des Lizenz- oder Gestattungsvertrags nicht besser als diejenige eines Dritten ist, der erstmals ein mit dem lizenzierten Kennzeichenrecht identisches oder ähnliches Zeichen nutzt. An den Nachweis eines Lizenz- oder Gestattungsvertrags, aus dem der Lizenzgeber einen Vorrang seines Kennzeichenrechts im Verhältnis zum Kennzeichenrecht des Lizenznehmers ableitet, sind regelmäßig keine geringen Anforderungen zu stellen.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist – ebenso wie bei § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG – unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt. Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind1.
Grundsätzlich können der Klagemarke im Verletzungsprozess allerdings prioritätsältere Kennzeichenrechte einredeweise entgegengehalten werden2. Das setzt voraus, dass die Partei, die sich einredeweise auf ein solches Recht beruft, über ein eigenes prioritätsälteres oder zumindest koexistenzberechtigtes Kennzeichenrecht verfügt oder zur einredeweisen Geltendmachung eines entsprechenden Kennzeichenrechts eines Dritten ermächtigt ist und durch die Klagemarke in den Schutzbereich des anderen Kennzeichenrechts eingegriffen wird.
Zwar kann ein Kläger einem Gegenrecht des Beklagten ein wiederum älteres Kennzeichenrecht entgegenhalten, durch das er dem Beklagten die Benutzung seines Kennzeichens verbieten lassen kann3.
Nach § 5 Abs. 2 MarkenG entsteht der Schutz eines Kennzeichenrechts durch die tatsächliche Benutzung des Zeichens im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung des Geschäftsbetriebs. Daraus folgt, dass grundsätzlich nur die Bezeichnung eines Unternehmens schutzfähig ist, unter der es sich am geschäftlichen Verkehr beteiligt. Der Schutz des Unternehmenskennzeichens greift nur dann ein, wenn der Gebrauch einer Bezeichnung durch einen anderen geeignet ist, Verwechslungen mit dem Zeichen des Berechtigten hervorzurufen. Dieser Schutz entfällt mithin regelmäßig, wenn der Berechtigte entweder den Betrieb des von ihm geführten Unternehmens aufgibt oder das Unternehmenskennzeichen in seiner charakteristischen Eigenart ändert. Ausnahmsweise geht der Schutz des Unternehmenskennzeichens nicht verloren, wenn der Geschäftsbetrieb nur zeitweise stillgelegt wird, jedoch in seinem für die Wiedereröffnung wesentlichen Bestand erhalten bleibt und wenn die Absicht und die Möglichkeit gegeben sind, ihn innerhalb eines solchen Zeitraums fortzusetzen, so dass die Stilllegung nach der dafür maßgeblichen Verkehrsauffassung noch als vorübergehende Unterbrechung erscheint4.
Der Schutz des Unternehmenskennzeichens nach § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG entsteht bei von Haus aus unterscheidungskräftigen Bezeichnungen zu denen die Bezeichnung „Baumann“ zu rechnen ist5 – mit der Aufnahme der Benutzung im Inland im geschäftlichen Verkehr6.
Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union folgt, dass ein rein firmenmäßiger Gebrauch keine Benutzungshandlung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 MarkenRL ist7. Diese Rechtsprechung ist auf den umgekehrten Fall einer Kollision eines älteren Unternehmenskennzeichens mit einer jüngeren Marke nicht übertragbar. Der Schutz des Unternehmenskennzeichens nach § 5 Abs. 2, § 15 Abs. 2 und 4 MarkenG setzt nur eine kennzeichenmäßige Verwendung der kollidierenden Bezeichnung voraus8.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. März 2013 – I ZR 93/12 – „Baumann“
- vgl. EuGH, Urteil vom 24.06.2010 – C-51/09, Slg. 2010, I5805 = GRUR 2010, 933 Rn. 33 – Barbara Becker; BGH, Urteil vom 09.02.2012 – I ZR 100/10, GRUR 2012, 1040 Rn. 25 = WRP 2012, 1241 – pjur/pure [↩]
- BGH, Urteil vom 28.02.2002 – I ZR 177/99, BGHZ 150, 82, 92 – Hotel Adlon; Urteil vom 09.10.2003 – I ZR 65/00, GRUR 2004, 512, 513 = WRP 2004, 610 – Leysieffer; Urteil vom 14.05.2009 – I ZR 231/06, GRUR 2009, 1055 Rn. 52 = WRP 2009, 1533 – airdsl [↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.05.2001 – I ZR 187/98, GRUR 2002, 59, 63 = WRP 2001, 1211 – ISCO; BGH, GRUR 2004, 512, 514 – Leysieffer; BGH, Urteil vom 24.02.2005 I ZR 161/02, GRUR 2005, 871, 872 = WRP 2005, 1164 – Seicom; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 60; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rn. 32 [↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.06.1997 – I ZR 38/95, BGHZ 136, 11, 21 f. – L’Orange; BGHZ 150, 82, 89 – Hotel Adlon; BGH, GRUR 2002, 972, 974 – FROMMIA; GRUR 2005, 871, 872 – Seicom [↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2008 – I ZR 134/05, GRUR 2008, 801 Rn. 14 = WRP 2008, 1189 Hansen-Bau [↩]
- BGH, Urteil vom 19.02.2009 – I ZR 135/06, GRUR 2009, 685 Rn. 17 = WRP 2009, 803 – ahd.de; Urteil vom 31.05.2012 – I ZR 135/10, GRUR 2012, 832 Rn. 44 = WRP 2012, 940 – ZAPPA [↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 21.11.2002 C23/01, Slg. 2002, I10913 = GRUR 2003, 143 Rn. 34 – Robeco/Robelco; Urteil vom 16.11.2004 – C-245/02, Slg. 2004, I10989 = GRUR 2005, 153 Rn. 60 und 64 – Anheuser Busch; Urteil vom 11.09.2007 – C-17/06, Slg. 2007, I7041 = GRUR 2007, 971 Rn. 21 – Céline [↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2004 – I ZR 177/02, GRUR 2005, 419, 422 = WRP 2005, 605 – Räucherkate; BGH, GRUR 2004, 512, 513 f. – Leysieffer; BGH, Urteil vom 14.04.2011 – I ZR 41/08, GRUR 2011, 623 Rn. 44 = WRP 2011, 886 – Peek & Cloppenburg II [↩]