Die Marke als Abkürzung
Ob der Verkehr eine Marke (hier: „ECR-Award“) als beschreibende Angabe oder Abkürzung erkennt, ist anhand der Marke selbst zu beurteilen. Der Inhalt des Dienstleistungsverzeichnisses kann zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses nicht herangezogen werden.
Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist der Eintragungsantrag zurückzuweisen, wenn der angemeldeten Marke im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden soll, jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung; vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet1. Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden2.
Maßgeblich für die Unterscheidungskraft einer Marke ist die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen3. Dieser wird die Marke so wahrnehmen, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen4.
Gegenstand der Prüfung im Eintragungsverfahren ist grundsätzlich das angemeldete Zeichen als Ganzes5. Besteht das angemeldete Zeichen aus mehreren Bestandteilen, darf sich die Prüfung nicht darauf beschränken, ob Eintragungshindernisse hinsichtlich eines oder mehrerer Zeichenbestandteile bestehen. Die Eintragung ist vielmehr nur zu versagen, wenn das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit die Voraussetzungen eines Schutzhindernisses erfüllt. Eine Prüfung der Gesamtheit der Bestandteile des Zeichens ist auch deshalb erforderlich, weil Bestandteile, die für sich betrachtet nicht unterscheidungskräftig sind, in ihrer Kombination unterscheidungskräftig sein können6.
Für das Vorliegen des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG reicht es aus, wenn das angemeldete Zeichen verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt. Der allein durch die Existenz verschiedener Deutungsmöglichkeiten hervorgerufene Interpretationsaufwand des Verkehrs reicht für die Bejahung einer Unterscheidungskraft nicht aus7.
Das Bundespatentgericht8 hat das Eintragungshindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bejaht, weil es sich bei dem angemeldeten Zeichen um eine beschreibende Angabe handele. Die Abkürzung „ECR“ stehe nicht nur für „Efficient Consumer Response“, sondern unter anderem auch für die Begriffe „Earth Centered Rotation“, „El Charco“, „Electro Coat Replacement“, „Electronic Cash Register“, „Electronic Combat Reconnaissance“, „Engineer Change Request“, „Extended Control Register“ oder „Elektrische Straßenbahn Elberfeld-Cronenberg-Remscheid“. Welche konkrete Bedeutung der Begriff „ECR“ tatsächlich habe, lasse sich ohne Berücksichtigung der Dienstleistungen, welche die streitgegenständliche Anmeldung beanspruche, kaum ergründen. Im konkreten Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen werde der angesprochene Verkehr auch ohne eine analysierende Betrachtungsweise die angemeldete Marke in dem von dem Deutschen Patent- und Markenamt angenommenen Sinn deuten und in der darin enthaltenen Abkürzung „ECR“ einen Hinweis auf die prämierte Leistung sehen. Das angesprochene Publikum werde aufgrund der Vielzahl der Bedeutungen der Abkürzung „ECR“ nicht zwingend die optimierte Lagerlogistik als Thema erkennen; es werde jedoch den Begriff nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern auf einen „thematisch bestimmten“ Preis auffassen.
Diesen Ausführungen kann der Bundesgerichtshof nicht zustimmen. Aus ihnen ergibt sich nicht, dass der angesprochene inländische Verkehr „ECR-Award“ ohne weiteres und ohne Unklarheiten als bekannte und gebräuchliche Abkürzung für „Efficient-Consumer-Response-Award“ erkennt. Vielmehr ist der Verkehr nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts ohne Berücksichtigung der im Verzeichnis angegebenen Dienstleistungen nicht in der Lage, „ECR“ als Abkürzung für „Efficient Consumer Response“ zu begreifen. Zu dem gegenteiligen Ergebnis ist das Bundespatentgericht nur dadurch gelangt, dass es rechtsfehlerhaft zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses den Inhalt des Dienstleistungsverzeichnisses herangezogen hat. Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass das Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen dem die Marke wahrnehmenden Verkehr nicht bekannt ist. Nur dessen Verständnis anhand der Marke selbst und der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen ist maßgebend für die Frage, ob eine Marke als beschreibende Angabe oder Abkürzung verstanden werden kann9. Ohne Kenntnis des Inhalts des Dienstleistungsverzeichnisses kann der Verkehr der angemeldeten Marke nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts keine bestimmte, ohne weiteres beschreibende Bedeutung beilegen.
Dies gilt selbst dann, wenn das Zeichen im Zusammenhang mit einer Preisverleihung im Bereich „Efficient Consumer Response“ benutzt wird, weil sich auch in diesem Fall kein die Dienstleistungen glatt beschreibender Begriff ergibt. Wie aus den Ausführungen des Deutschen Patent- und Markenamts folgt, auf die das Bundespatentgericht verwiesen hat, ist dieser Begriff nicht einfach durch Übersetzung der englischen Wörter zu ermitteln. Das Deutsche Patentund Markenamt hat vielmehr angenommen, die Wortfolge bezeichne eine Initiative zur Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Händlern, die auf Kostenreduktion und bessere Befriedigung von Konsumentenbedürfnissen abzielt. Dagegen ist das Bundespatentgericht davon ausgegangen, „Efficient Consumer Response“ beschreibe ein Konzept zur optimierten Lagerlogistik, ohne dass deutlich wird, wie das Bundespatentgericht zu diesem Verkehrsverständnis gelangt ist.
Da nach den bisherigen Feststellungen des Bundespatentgerichts nicht davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei der angemeldeten Wortmarke „ECR-Award“ um eine beschreibende Angabe handelt, kann die angefochtene Entscheidung auch nicht mit der nicht näher begründeten Auffassung des Bundespatentgerichts aufrechterhalten werden, dass hinsichtlich der angemeldeten Dienstleistungen ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. Mai 2014 – I ZB 64/13
- vgl. EuGH, Urteil vom 21.01.2010 C398/08, Slg. 2010, I535 = GRUR 2010, 228 Rn. 33 Audi [Vorsprung durch Technik]; BGH, Beschluss vom 21.12 2011 – I ZB 56/09, GRUR 2012, 270 Rn. 8 = WRP 2012, 337 Link economy; Beschluss vom 04.04.2012 – I ZB 22/11, GRUR 2012, 1143 Rn. 7 = WRP 2012, 1396 Starsat; Beschluss vom 22.11.2012 – I ZB 72/11, GRUR 2013, 731 Rn. 11 = WRP 2013, 909 Kaleido [↩]
- BGH, Beschluss vom 04.12 2008 – I ZB 48/08, GRUR 2009, 778 Rn. 11 = WRP 2009, 813 Willkommen im Leben; Beschluss vom 24.06.2010 – I ZB 115/08, GRUR 2010, 1100 Rn. 10 = WRP 2010, 1504 TOOOR!; Beschluss vom 19.02.2014 – I ZB 3/13, GRUR 2014, 569 Rn. 10 = WRP 2014, 573 – HOT [↩]
- EuGH, Urteil vom 08.05.2008 C304/06, Slg. 2008, I3297 = GRUR 2008, 608 Rn. 67 EUROHYPO; BGH, Beschluss vom 15.01.2009 – I ZB 30/06, GRUR 2009, 411 Rn. 8 = WRP 2009, 439 STREETBALL; BGH, GRUR 2013, 731 Rn. 11 Kaleido; BGH, GRUR 2014, 569 Rn. 11 – HOT [↩]
- BGH, GRUR 2012, 270 Rn. 12 Link economy [↩]
- vgl. BGH, GRUR 2002, 884, 885 B2 alloy [↩]
- BGH, Beschluss vom 10.06.2010 – I ZB 39/09, GRUR 2011, 65 Rn. 10 = WRP 2011, 65 Buchstabe T mit Strich [↩]
- BGH, Beschluss vom 22.01.2009 – I ZB 52/08, GRUR 2009, 952 Rn. 15 = WRP 2009, 960 DeutschlandCard; BGH, GRUR 2014, 569 Rn. 11 – HOT; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 8 Rn. 131 f.; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 113 [↩]
- BPatG, Beschluss vom 08.07.2013 – 27 W(pat) 521/13 [↩]
- EuGH, Urteil vom 15.03.2012 C90/11 und C91/11, GRUR 2012, 616 Rn. 37 f. – MMF/NAI [↩]