Einlagenrückgewähr und das Bereicherungsrecht

Bei einem Verstoß gegen das in § 57 AktG normierte Verbot der Einlagenrückgewähr an den Aktionär sind weder das Verpflichtungsgeschäft noch das Erfüllungsgeschäft nichtig.

Nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung ist im Falle des § 57 AktG sowohl das Verpflichtungsgeschäft als auch das Erfüllungsgeschäft wegen eines Verstoßes gegen § 134 BGB nichtig1, wobei teilweise zwischen der sog. offenen und der verdeckten Rückzahlung – typischer Fall: der Verkauf von Gegenständen oder wie hier Geschäftsanteilen unterschieden wird2. Nach anderer Ansicht ist nur das Verpflichtungsgeschäft nichtig3. Nach einer im Vordringen befindlichen Ansicht führt der Verstoß gegen § 57 AktG weder zur Nichtigkeit des Erfüllungs- noch des Verpflichtungsgeschäfts4.

Sowohl das Verpflichtungs- als auch das Erfüllungsgeschäft sind wirksam.

§ 57 AktG enthält zwar mit dem Verbot der Einlagenrückgewähr ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB. Verstößt ein Rechtsgeschäft gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr, führt das aber nicht nach § 134 BGB zu dessen Nichtigkeit, weil § 62 AktG die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr als spezialgesetzliche Vorschrift anders regelt. Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nur dann nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Eine solche andere gesetzliche Regelung enthält § 62 AktG.

Die Regelungen in den §§ 57, 62 AktG sind dahin auszulegen, dass bei einem Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr weder das der verbotenen Leistung an den Aktionär zugrundeliegende Verpflichtungs- noch das Erfüllungsgeschäft nichtig ist. Die Annahme einer Nichtigkeit führt zu Konkurrenzproblemen mit dem Anspruch nach § 62 AktG und stellt für den Kapitalschutz bei der Aktiengesellschaft keine angemessene Lösung dar.

Wenn das Verpflichtungsgeschäft als nichtig angesehen wird, konkurriert der Anspruch aus § 62 AktG mit dem Bereicherungsrecht. Das führt zu Konkurrenzproblemen nicht nur mit dem Entreicherungseinwand (§ 818 Abs. 3 BGB) oder der Haftungverschärfung nach § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB, sondern auch hinsichtlich der Verjährungsregeln (§§ 195, 199 BGB). Dazu wird – von der eine Nichtigkeit annehmenden Meinung – meist vorgeschlagen, dass die Regelungen in § 62 AktG das Bereicherungsrecht verdrängen5, so dass die Annahme der Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts jedenfalls gegenüber dem Aktionär folgenlos bleibt. Dass die Gesellschaft auch bei Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts die eingegangene Verpflichtung nicht erfüllen darf, folgt schon aus § 62 AktG, weil die Gesellschaft die Leistung sofort zurückfordern müsste. Auch für verbotswidrig abgeschlossene Geschäfte mit Dritten, die auf eine Einlagenrückgewähr an den Aktionär hinauslaufen, bietet § 62 AktG ausreichenden Schutz6.

Die Annahme einer Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts verstärkt zwar den insolvenzrechtlichen Schutz, weil der Gesellschaft im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Empfängers des unter Verstoß gegen § 57 AktG übertragenen Gegenstands nach § 47 InsO ein Recht auf Aussonderung des wegen des nichtigen Erfüllungsgeschäfts nicht zur Insolvenzmasse gehörigen Gegenstands zusteht. Die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts führt aber bei der Übertragung von beweglichen Sachen, Grundstücken und Rechten zu unterschiedlichen Ergebnissen schon hinsichtlich der Verjährung von Ansprüchen. Der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB verjährt in 30 Jahren (§ 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB); bei der unwirksamen Übertragung von Rechten gibt es keine Verjährung. Das steht wiederum in Widerspruch zur Verjährungsfrist nach § 62 Abs. 3 AktG.

Gegen die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts spricht zudem, dass § 57 AktG nicht die gegenständliche Zusammensetzung des Kapitals, sondern seine Erhaltung dem Wert nach bezweckt und dass nicht der Leistungsaustausch mit dem Aktionär als solcher, sondern dessen unangemessene Bedingungen missbilligt werden. Das hat der Gesetzgeber durch die Einführung der Regelung des § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG, nach der das Verbot der Einlagenrückgewähr nach Satz 1 bei Deckung durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär nicht gilt, klargestellt. Ein Anspruch auf Rückgewähr des verbotswidrig weggegebenen Gegenstandes kann sich trotz des auf einen nur wertmäßigen Kapitalschutz gerichteten Zwecks des § 57 AktG auch aus § 62 Abs. 1 AktG ergeben7, ohne dass das Erfüllungsgeschäft für nichtig erachtet werden muss. Da bei den hier in Rede stehenden Rechtsgeschäften zwischen Gesellschaft und Aktionär nicht selten Ungewissheit darüber besteht, ob die Gegenleistung des Aktionärs angemessen ist oder nicht, wäre – wenn man die Auffassung zugrunde legt, dass ein Verstoß gegen § 57 AktG zur Nichtigkeit (auch) des Erfüllungsgeschäfts führt – häufig auch unsicher, ob das Erfüllungsgeschäft nichtig ist oder nicht. Das würde zu einer Unsicherheit über die dingliche Zuordnung der von der Gesellschaft weggegebenen Vermögensgegenstände führen und damit zu weiterer Rechtsunsicherheit.

Schließlich ist der Bundesgerichtshof auch für die Kapitalerhaltungsvorschriften im GmbH-Recht (§§ 30, 31 GmbHG) von der Wirksamkeit des Erfüllungsgeschäfts ausgegangen8. Dass bei der Aktiengesellschaft das gesamte Vermögen geschützt ist, bei der GmbH dagegen nur das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung der Rechtsfolgen nicht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. März 2013 – II ZR 179/12

  1. KK-AktG/Lutter, 2. Aufl., § 57 Rn. 63; GroßKommAktG/Henze, 4. Aufl., § 57 Rn.203; Strohn, Die Verfassung der Aktiengesellschaft im faktischen Konzern,1977, S. 24 f.; jedenfalls für das Verpflichtungsgeschäft: RGZ 107, 161, 168 []
  2. vgl. KK-AktG/Lutter, 2. Aufl., § 57 Rn. 69; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 57 Rn. 23 []
  3. Geßler, Festschrift Fischer, 1979, S. 131, 142 ff.; Flume, ZHR 144 [1980], 18, 23 ff.; Wilhelm, Festschrift Flume, Band II 1978, S. 337, 383 ff. []
  4. MünchKomm-AktG/Bayer, 3. Aufl., § 57 Rn. 162; Fleischer in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 74; KK-AktG/Drygala, 3. Aufl., § 57 Rn. 133 f.; Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rn.20; Heidel/Drinhausen, AktG, 3. Aufl., § 57 Rn. 53; Hölters/Solveen, AktG, § 57 Rn. 28; Cahn/v. Spannenberg in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 57 Rn. 87 []
  5. Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 62 Rn. 59 []
  6. vgl. etwa BGH, Urteil vom 31.05.2011 – II ZR 141/09, BGHZ 190, 7 Rn. 44 f. – Dritter Börsengang; MünchKomm-AktG/Bayer, 3. Aufl., § 57 Rn. 166 f. []
  7. vgl. zu § 31 GmbHG: BGH, Urteil vom 17.03.2008 – II ZR 24/07, BGHZ 176, 62 Rn. 9 []
  8. BGH, Urteil vom 23.06.1997 – II ZR 220/95, BGHZ 136, 125, 129 f. []