Der veruntreuende Vertriebsleiter – und die Haftung seines Käufers

Die Schadensersatzpflicht des Besitzers nach § 989 BGB ist nicht auf den Wert der herauszugebenden Sache beschränkt, sondern bestimmt sich nach dem subjektiven Interesse des Eigentümers an deren Wiedererlangung1.

Die verschärfte Haftung des Empfängers der Leistung entfällt, wenn der Leistende den Mangel des Rechtsgrunds kennt oder der Empfänger eine solche Kenntnis bei ihm annimmt. Hat der Empfänger einer Leistung mit einem Vertreter des Leistenden in sittenwidriger Weise zusammengewirkt, haftet er nur dann nicht verschärft nach § 819 Abs. 1 BGB, wenn die Leistung auch in Kenntnis des Vertretenen vom Mangel des Rechtsgrunds erfolgt ist und von diesem deswegen nach § 814 BGB nicht kondiziert werden kann.

Im hier entschiedenen Fall hatte der Vertriebsleiter eines Verlagsunternehmens Remittentenexemplare verbilligt weiterverkauft und hierfür vom Käufer ein privates „Zusatzhonorar“ erhalten. Nunmehr verlangte das Verlagsunternehmen von dem Käufer den erlittenen Vertriebsschaden als Schadensersatz.

Der Schadensersatzanspruch des Verlags ergibt sich allerdings nicht aus § 990 Abs. 1, § 989 BGB; denn sie hat ihr Eigentum an den Zeitschriften durch Übereignung an den Käufer verloren (§ 929 Satz 1 BGB).

Die Übergabe nach § 929 Satz 1 BGB stellt einen tatsächlichen Vorgang dar, nämlich die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache2. Dieser muss ein Konsens über den Wechsel im Eigenbesitz zugrunde liegen, um die Übergabe von einer Besitzverschaffung durch verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 2 BGB) abzugrenzen3. Ein solcher Konsens liegt nach den von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil darin, dass die von dem Vertriebsleiter im Namen der Unternehmerin verkauften Zeitschriften dem Käufer in Kartons mit dem Firmenstempel und mit Lieferscheinen der Unternehmerin zugesandt wurden.

Die Parteien haben sich auch über den Übergang des Eigentums geeinigt. Die Unternehmerin wurde bei dem Abschluss der dinglichen Verträge durch den Vertriebsleiter nach § 164 Abs. 1, 3 BGB vertreten.

Die Übergabe nach § 929 Satz 1 BGB stellt einen tatsächlichen Vorgang dar, nämlich die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache4. Dieser muss ein Konsens über den Wechsel im Eigenbesitz zugrunde liegen, um die Übergabe von einer Besitzverschaffung durch verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 2 BGB) abzugrenzen5. Ein solcher Konsens liegt im hier entschiedenen Fall darin, dass die von dem Vertriebsleiter im Namen der Unternehmerin verkauften Zeitschriften dem Käufer in Kartons mit dem Firmenstempel und mit Lieferscheinen der Unternehmerin zugesandt wurden.

Veräußert ein Vertriebsleiter Waren „unter der Hand“, ergibt sich ein Schadensersatzanspruch des Unternehmens gegen den Käufer allerdings nicht aus § 990 Abs. 1, § 989 BGB; denn er hat sein Eigentum an den Waren durch Übereignung an den Käufer verloren (§ 929 Satz 1 BGB). Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auf Ersatz des Vertriebsschadens kann sich jedoch aus der verschärften Haftung des Bereicherungsschuldners nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292 Abs. 1, § 989 BGB ergeben. Der Käufer ist dem Unternehmen nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zur Herausgabe der Waren verpflichtet. Er hatte diese ohne rechtlichen Grund erlangt, weil die von ihm mit dem Vertriebsleiter geschlossenen Kaufverträge nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind.

Der Vertriebsleiter eines Unternehmens hat regelmäßig Handlungsvollmacht nach § 54 Abs. 1 Fall 2 HGB.

Diese wird nämlich konkludent bereits dadurch erteilt, dass einem Angestellten Zuständigkeiten und Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung in einem Unternehmen übertragen werden6.

Die Frage, ob sich der Handlungsbevollmächtigte bei dem Abschluss des Rechtsgeschäfts noch im Rahmen seiner Handlungsvollmacht bewegt hat, kann dahinstehen, wenn der Inhaber des Handelsgeschäfts sich das Rechtsgeschäft nach den Grundsätzen über die Duldungs- oder die Anscheinsvollmacht zurechnen lassen muss7. Die Grenzen zwischen rechtsgeschäftlich erteilter Handlungsvollmacht mit einer gesetzlich geregelten Rechtscheinhaftung nach § 54 HGB8 und der allgemeinen Haftung des Vertretenen aus veranlasstem Rechtsschein sind nicht immer trennscharf zu ziehen9.

Bei der Anscheinsvollmacht kann sich der Vertretene auf den Mangel der Vertretungsmacht seines Vertreters nicht berufen, wenn er schuldhaft den Rechtsschein einer Vollmacht veranlasst hat, so dass der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von einer Bevollmächtigung ausgehen darf und auch von ihr ausgegangen ist10.

Dabei braucht das Gericht einem Vorbringen des Unternehmens nicht nachzugehen, wonach der Vertriebsleiter die internen Kontrollen umgangen habe und allein deswegen die Geschäfte der Geschäftsführung unbekannt geblieben seien. Der Geschäftspartner hätte – selbst wenn es sich so verhalten haben sollte – den Rechtsschein einer Vollmacht des Vertriebsleiters nicht unverschuldet veranlasst, weil die nach außen in Erscheinung getretenen Umstände, die den Rechtsschein ordnungsgemäßer Veräußerungen hervorriefen (hier: Auslieferung vom Lager mit Lieferscheinen und Rechnungen; Bezahlung durch Lastschrifteinzug unter Erfassung durch die Buchhaltung des Unternehmens), aus der Sphäre ihres Unternehmens stammten. Der Geschäftsinhaber muss sich den Anschein einer Vollmacht seines Angestellten zurechnen lassen, den er selbst hervorgerufen hat11. Diese Verteilung der Risiken beruht darauf, dass der kaufmännische Verkehr Rechtsicherheit sowie einfache und klare Verhältnisse erfordert und dass es dem Geschäftspartner nicht zugemutet werden kann, über die Ermächtigung des für den Geschäftsinhaber Auftretenden genaue Ermittlungen anzustellen, solange er nach dem äußeren Anschein anzunehmen berechtigt ist, dass der Geschäftsinhaber das Verhalten des in seinem Namen handelnden Angestellten billigt12.

Der Geschäftspartner hat auf die Vertretungsmacht des Vertriebsleiters vertraut und durfte auf diese nach den Umständen gemäß dem Grundsatz von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auch vertrauen.

Auch die vom Vertriebsleiter vorgenommenen Übereignungen sind wirksam und für den Geschäftsherrn bindend.

Die dinglichen Verträge sind nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Anders verhielte es sich zwar, wenn der Geschäftspartner mit dem Vertriebsleiter bewusst in arglistiger Weise zum Nachteil des Unternehmens zusammengewirkt hätte, um nicht mehr zum Verkauf bestimmte Remissionsware zu erwerben. An einem solchen kollusiven Vorgehen fehlt es jedoch, wenn der Geschäftsppartner nicht erkannt hat, dass der Vertriebsleiter nicht zum Vertrieb bestimmte Ware an ihn veräußerte, sondern er von einem „regulären“ Verkauf von Restposten durch den für den Verkauf zuständigen Vertriebsleiter ausging.

Die Berufung des Geschäftspartners auf die Wirksamkeit der mit dem Vertriebsleiter vereinbarten Übereignungen stellt sich auch nicht als eine nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unzulässige Rechtsausübung dar. Der Vertretene muss von seinem Vertreter abgeschlossene Rechtsgeschäfte allerdings dann nicht gegen sich gelten lassen, wenn der andere Vertragsteil den Missbrauch der Vertretungsmacht zwar nicht erkannt hat, aber nach den Umständen hätte erkennen müssen13. Da jedoch grundsätzlich der Vertretene das Risiko eines Vollmachtsmissbrauchs zu tragen hat14, setzt der Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung gegenüber dem Geschäftsgegner eine auf massiven Verdachtsmomenten beruhende Evidenz des Missbrauchs der Vertretungsmacht voraus15.

Die Übereignungen sind auch nicht im Hinblick auf die Vereinbarung über zusätzliche, an den Vertriebsleiter zu leistende Zahlungen nichtig. Aus diesem Grund sind zwar die Kaufverträge, aber nicht die Übereignungen unwirksam. Die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Vertrags nach § 138 Abs. 1 BGB hat nicht ohne weiteres auch die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts zur Folge. Dieses ist nur dann ebenfalls nichtig, wenn die Unsittlichkeit gerade im Vollzug der Leistung liegt, wenn also mit dem dinglichen Rechtsvorgang sittenwidrige Zwecke verfolgt werden oder in ihm die Sittenwidrigkeit begründet ist16. So verhält es sich hier nicht. Die Abrede über die an den Vertriebsleiter zusätzlich zu leistenden Zahlungen betraf allein das schuldrechtliche Geschäft; sie erhöhte die Summe des von dem Geschäftspartner für den Erwerb der Zeitschriften zu zahlenden Entgelts.

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auf Ersatz des Vertriebsschadens kann sich jedoch aus der verschärften Haftung des Bereicherungsschuldners nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292 Abs. 1, § 989 BGB ergeben.

Der Käufer war der Unternehmerin nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zur Herausgabe der Zeitschriften verpflichtet. Er hatte diese ohne rechtlichen Grund erlangt, weil die von ihm mit der Unternehmerin geschlossenen Kaufverträge nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind.

Die Abrede zwischen dem Käufer und dem Vertriebsleiter über ein zusätzlich an diesen zu zahlendes Entgelt ist unwirksam. Derartige Vereinbarungen eines Angestellten, Bevollmächtigten oder sonstigen Vertreters einer Partei mit dem Geschäftsgegner zum eigenen Vorteil hinter dem Rücken und zum Schaden des Geschäftsherren verstoßen gegen die guten Sitten und sind daher nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig17. Sie widersprechen einfachsten und grundlegenden Regeln geschäftlichen Anstandes und kaufmännischer guter Sitte18.

An der Sittenwidrigkeit der Abrede änderte es nichts, wenn der Käufer davon ausgegangen ist, dass die Zahlungen auf das Konto des Vertriebsleiters in eine „Teamkasse“ erfolgten und somit teilweise auch anderen Mitarbeitern der Unternehmerin zugutekommen sollten. Für die unter § 299 StGB fallenden Schmiergeldzahlungen hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass es für eine Bestechung unerheblich ist, ob der Vorteil dem Angestellten oder Beauftragten selbst oder einem Dritten zugutekommt19. Für „belohnende“ Zahlungen an den Vertreter hinter dem Rücken und zum Nachteil des Geschäftsherrn gilt nichts anderes.

Die Vereinbarung über die zusätzlichen Zahlungen an den Vertriebsleiter hat die Nichtigkeit der abgeschlossenen Kaufverträge zur Folge. Zwar führen sittenwidrige Abreden über an den Vertreter zu leistende Zahlungen nur dann zur Nichtigkeit des Hauptvertrags nach § 138 Abs. 1 BGB, wenn sie auch zu einer für den Geschäftsherren nachteiligen Gestaltung geführt haben20. Bei den sittenwidrigen Absprachen über besondere Zuwendungen an den Vertreter ist das jedoch zu vermuten21. Diese Vermutung ist insbesondere dann begründet, wenn die Zahlungen an den Vertreter dem Vertretenen als (zusätzlicher) Kaufpreis hätten gewährt werden können und der Vertreter dadurch – für den Vertragspartner erkennbar – seiner Pflicht zuwiderhandelt, Verträge zu den für den Vertretenen günstigsten Preisen abzuschließen22.

Der Käufer haftet verschärft nach § 819 Abs. 1 BGB.

Die verschärfte Haftung setzt allerdings voraus, dass der Bereicherungsschuldner sowohl die die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen als auch die sich daraus ergebende Rechtsfolge der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts kennt23. Kennenmüssen und Zweifel des Schuldners genügen nicht. Den Mangel des Rechtsgrunds kennt aber auch derjenige, der, um sich die Vorteile aus dem Geschäft zu sichern, sich bewusst der Einsicht verschließt, dass das Verpflichtungsgeschäft nichtig ist. Der sittenwidrig handelnde Bereicherungsschuldner, der die Tatsachen kennt, aufgrund derer sich die Rechtsgrundlosigkeit seines Erwerbs aufdrängt, verdient keinen Schutz24.

Davon ist hier nach dem eigenen Vortrag des Käufers auszugehen, auf den die Revision zutreffend verweist. Dieser hat in der Klageerwiderung eingeräumt, ihm sei bekannt gewesen, dass der Vertriebsleiter eine Nebenkasse für private Rechnung führte, von der er vermutet habe, dass es sich um eine „Schwarzkasse“ gehandelt habe. Diese Vorgehensweise sei ungewöhnlich und für ihn insofern nachteilig gewesen, als er diese Zahlungen mangels Rechnung nicht habe steuerlich nutzbar machen können. Auf die Lieferungen der Unternehmerin, die jedenfalls beim Aufbau seines Geschäfts eine tragende Säule dargestellt hätten, sei er jedoch angewiesen gewesen. Daher habe er versucht, sich in jeder Hinsicht mit dem Vertriebsleiter gut zu stellen, um die Geschäftsbeziehung ungestört fortsetzen zu können.

Der Käufer kannte danach alle den Treubruch des Vertriebsleiters begründenden und zur Nichtigkeit der Verträge führenden Tatsachen. Ein redlich Denkender, der nicht vom Gedanken an den eigenen Vorteil beeinflusst gewesen ist25, wäre vor diesem Hintergrund zu der Überzeugung gelangt, dass die für die Unternehmerin nachteiligen Kaufverträge nichtig sind. Wenn der Käufer das nicht erkannt haben will, kann das nur darauf beruhen, dass er – um sich die Vorteile aus den Lieferungen zu sichern – sich bewusst dieser Einsicht versperrt hat.

Der Käufer hat gemäß § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB, § 292 Abs. 1, § 989 BGB der Unternehmerin den Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entsteht, dass infolge seines Verschuldens die Sache verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde nicht herausgegeben werden kann.

Der Käufer hat es zu vertreten, dass er die Zeitschriften infolge der Veräußerungen an Dritte nicht an die Unternehmerin herausgeben kann. Die freiwillige Veräußerung der Sache durch den verschärft haftenden Bereicherungsschuldner, der nach § 292 Abs. 1 BGB einem auf Herausgabe der Sache verklagten Besitzer gleichgestellt ist, stellt eine schuldhafte Verletzung seiner Herausgabepflicht dar26.

Der Käufer schuldet nach § 989 BGB der Unternehmerin den Ersatz des Vertriebsschadens, obwohl die zu ersetzende Vermögenseinbuße nicht in dem Verlust des Werts der herauszugebenden Sache besteht.

Nach der früher im Schrifttum herrschenden Auffassung haftete der Besitzer nach § 989 BGB allerdings nicht auf den Ersatz des subjektiven Interesses des Eigentümers, sondern – anstelle der ihm nicht möglichen Herausgabe – allein auf den objektiven Verkehrswert der Sache27. Der Besitzer sollte aus dem Eigentümer-Besitzerverhältnis nicht zum Ersatz weitergehender Schäden – wie eines dem Eigentümer entgangenen Gewinns – verpflichtet sein28.

Nach heutiger Auslegung der Vorschrift hat der auf Herausgabe verklagte Besitzer dem Eigentümer jedoch sämtliche Vermögensschäden zu ersetzen, die diesem daraus entstehen, dass er die Sache nicht herausgeben kann. Der Eigentümer kann den vollen Ersatz seines Schadens einschließlich eines entgangenen Gewinns verlangen29. Dem verklagten Besitzer ist die Pflicht auferlegt, sich als Verwalter einer fremden Sache zu betrachten und dafür zu sorgen, dass sie an den Eigentümer herausgegeben werden kann30. Verletzt der Besitzer diese Pflicht, haftet er – wie bei der Verletzung anderer schuldrechtlicher Pflichten – dem Eigentümer auf den Ersatz der diesem daraus entstandenen Vermögensschäden. Der Besitzer hat danach beispielsweise auch Ersatz für eine dem Eigentümer entgangene staatliche Subvention (Milchprämie) zu leisten, die der Eigentümer erhalten hätte, wenn der Besitzer ihm die Sache (Viehbestand) hätte herausgeben können31. Gemessen daran hat der Käufer der Unternehmerin nach § 989 BGB auch den auf den besonderen Verhältnissen des Zeitschriftenvertriebs beruhenden Vertriebsschaden zu ersetzen, welcher daraus entsteht, dass die Unternehmerin – weil der Käufer die von ihm verkauften Zeitschriften nicht herausgeben kann – von ihren Lieferanten auf Rückvergütung der erstatteten Einkaufspreise wegen erneuten Vertriebs dieser Zeitschriften in Anspruch genommen wird.

Die Schadensersatzpflicht des Käufers ist schließlich nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Unternehmerin von ihm den Ausgleich der Vermögenseinbuße verlangt, die auf dem Missbrauch der Handlungsvollmacht des Vertriebsleiters durch die Veräußerung nicht mehr zum Verkehr bestimmter Zeitschriften beruhte, von dem der Käufer nichts wusste. Der Umstand, dass die Verhältnisse im Unternehmen der Unternehmerin die Entstehung des Vertriebsschadens erst ermöglicht haben, ist allerdings nicht unbeachtlich, sondern kann gegenüber dem Schadensersatzanspruch nach § 989 BGB den Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) sowie des Mitverschuldens an der Schadensentstehung (§ 254 Abs. 1 Satz 1 BGB) begründen.

Ein Anspruch der Unternehmerin aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht nicht, weil der Käufer das Eigentum an den Zeitschriften erworben hatte und daher als Berechtigter verfügte.

Ein Anspruch auf Herausgabe des von dem Käufer erzielten Erlöses aus der Veräußerung der Zeitschriften kann sich jedoch ebenfalls aus der verschärften Bereicherungshaftung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 285 Abs. 1 BGB ergeben. Der verschärft haftende Bereicherungsschuldner hat, wenn ihm die Herausgabe des Empfangenen infolge einer Veräußerung an einen Dritten nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden ist, dem Gläubiger auf dessen Verlangen das rechtsgeschäftlich erlangte Surrogat herauszugeben32.

Zum Schadensersatzanspruch:

Ein Anspruch auf Ersatz des Vertriebsschadens bestünde nicht, wenn die Geschäftsführer der Unternehmerin über die Veräußerungen der Remissionsware durch den Vertriebsleiter – wie von dem Käufer und von dem Vertriebsleiter behauptet – informiert gewesen wären und diese gebilligt hätten. Das Verlangen der Unternehmerin auf Ersatz dieses Schadens stellte sich dann als ein mit dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbarer Rechtsmissbrauch dar. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick darauf vorrangig schutzwürdig sind33.

Der Anspruch auf Ersatz des Vertriebsschadens nach § 989 BGB kann auch nach § 254 Abs. 1 BGB gänzlich wegfallen oder zu mindern sein. § 254 BGB ist auf den Schadensersatzanspruch nach § 989 BGB anzuwenden34. Nach dem Grundgedanken dieser Vorschrift ist es nicht statthaft dass der Geschädigte den Schädiger zur Rechenschaft zieht, ohne dabei zu berücksichtigen, dass er selbst die gefährliche Lage geschaffen oder mitgeschaffen hat, in der sich der von dem Schädiger zu vertretende Beitrag zur Schadensentstehung auswirken konnte35. Insoweit wird unter Abwägung der von den Parteien dazu vorgetragenen Umstände zu berücksichtigen sein, ob der Schaden, der der Unternehmerin durch das unerlaubte Inverkehrbringen von Remissionsware entstanden ist oder noch entstehen wird, ganz oder zu einem erheblichen Teil auf Organisationsmängel im Haus der Unternehmerin zurückzuführen und daher von ihr zu verantworten ist.

Zum Anspruch auf Herausgabe des Erlöses:

Dieser Anspruch setzt die verschärfte Haftung des Bereicherungsschuldners nach § 819 Abs. 1 BGB voraus. Sie entfällt grundsätzlich, wenn der Leistende den Mangel des Rechtsgrunds kennt oder der Empfänger eine solche Kenntnis bei ihm annimmt36. Beruht die Nichtigkeit des Vertrags aber auf einem kollusiven Zusammenwirken mit dem Vertreter des Leistenden, ist das Vertrauen des Empfängers, die Leistung behalten zu dürfen, nicht schutzwürdig. Hat der Empfänger einer Leistung mit einem Vertreter des Leistenden in sittenwidriger Weise zusammengewirkt, haftet er nur dann nicht verschärft nach § 819 Abs. 1 BGB, wenn die Leistung auch in Kenntnis des Vertretenen vom Mangel des Rechtsgrunds erfolgt ist und von diesem deswegen nach § 814 BGB nicht kondiziert werden kann. Hierfür wäre von dem Käufer die Kenntnis der Geschäftsführer von seinen Zahlungen an den Vertriebsleiter nachzuweisen37.

Auch dieser Anspruch der Unternehmerin kann nach dem Rechtsgedanken des § 254 Abs. 1 BGB begrenzt sein, wenn ihre Geschäftsführer – obwohl sie Anlass dazu gehabt hätten, gegen den Vertriebsleiter einzuschreiten – fünf Jahre lang nichts gegen die von diesem vorgenommenen Verkäufe unternommen haben38. Der in § 254 BGB enthaltene Ausgleichsgedanke ist auf andere als Schadensersatzansprüche anzuwenden, wenn sich das Verlangen eines vollen Ausgleichs angesichts der eigenen Verantwortung des Gläubigers als unzulässige Rechtsausübung darstellt39. So verhielte es sich, wenn die Geschäftsführer der Unternehmerin – wie von dem Käufer und dem Vertriebsleiter unter Beweisantritt vorgetragen – über die Veräußerungen unterrichtet waren oder aber diese bei der gebotenen Kontrolle des Vertriebsleiters hätten erkennen müssen.

Die Unternehmerin kann den Anspruch auf Schadensersatz nach § 989 BGB neben dem Anspruch auf Herausgabe des von dem Käufer erzielten Veräußerungserlöses nach § 285 BGB geltend machen. Allerdings mindert sich ihr Schadensersatzanspruch nach § 285 Abs. 2 BGB um den Wert des von dem Käufer erlangten Ersatzes40. Das ist bei der beantragten Feststellung der Verpflichtung des Käufers zum Ersatz des Vertriebsschadens auszusprechen.

Zum Auskunftsanspruch:

Dem Klageantrag zu 1 auf Auskunft ist – weil dem Auskunftsanspruch lediglich eine Hilfsfunktion für die Durchsetzung des Leistungsanspruchs zukommt41 stattzugeben, wenn nach dem Ergebnis der noch durchzuführenden Beweisaufnahme einer der beiden geltend gemachten Ansprüche (ggf. nur in Höhe eines Anteils) dem Grunde nach besteht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Mai 2014 – V ZR 305/12

  1. Fortführung von BGH, Urteil vom 05.05.1982 – VIII ZR 162/81, NJW 1982, 1751; BGH, Urteil vom 29.01.1993 – V ZR 160/91, NJW-RR 1993, 626, 627 []
  2. BGH, Urteil vom 09.02.1955 – IV ZR 188/54, BGHZ 16, 259, 263 []
  3. vgl. RGZ 137, 23, 25 []
  4. BGH, Urteil vom 09.02.1955 – IV ZR 188/54, BGHZ 16, 259, 263 []
  5. vgl. RGZ 137, 23, 25 []
  6. vgl. BGH, Urteile vom 25.02.1982 – VII ZR 268/81, NJW 1982, 1389, 1390; und vom 16.12 2010 – 4 StR 492/10, NStZ 2011, 280, 281 []
  7. Preuß/Grooterhorst, aaO, 4. Kapitel Rn. 17; Roth in Koller/Roth/Morck, aaO, § 54 Rn.20 f.; Staub/Joost, HBG, 5. Aufl., § 54 Rn. 93 []
  8. Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 54 Rn. 9 []
  9. Roth in Koller/Roth/Morck, aaO, § 54 Rn.20 []
  10. BGH, Urteil vom 05.03.1998 – III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1855 []
  11. vgl. Hopt, AcP 183, 608, 697 []
  12. vgl. RGZ 100, 48, 49 []
  13. BGH, Urteil vom 28.02.1966 – VII ZR 125/65, NJW 1966, 1911; Urteil vom 25.03.1968 – II ZR 208/64, BGHZ 50, 112, 114 []
  14. BGH, Urteil vom 01.02.2012 – VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718, 1719 Rn. 23 mwN []
  15. BGH, Urteil vom 25.03.1968 – II ZR 208/64, BGHZ 50, 112, 114; Urteil vom 25.10.1994 – XI ZR 239/93, BGHZ 127, 239, 241; Urteil vom 29.06.1999 – IX ZR 277/98, NJW 1999, 2883; Urteil vom 01.02.2012 – VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718, 1719 Rn. 23 []
  16. BGH, Urteile vom 24.05.1985 – V ZR 47/84, NJW 1985, 3006, 3007; und vom 20.01.2006 – V ZR 214/04, NJW-RR 2004, 888, 889; BGH, Urteil vom 22.01.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593, 594 []
  17. BGH, Urteil vom 17.05.1988 – VI ZR 223/87, NJW 1989, 26, 27; Urteil vom 18.02.2003 – X ZR 245/00, BauR 2004, 337, 340 []
  18. BGH, Urteil vom 17.05.1988 – VI ZR 223/87, aaO []
  19. BT-Drs. 13/5584, S. 15 []
  20. BGH, Urteil vom 01.01.1990 – VIII ZR 337/88, NJW-RR 1990, 442, 443; Urteil vom 06.05.1999 – VII ZR 132/97, BGHZ 141, 357, 361 []
  21. BGH, Urteil vom 17.05.1989 – VI ZR 233/87, NJW 1989, 26, 27 []
  22. vgl. BGH, Urteil vom 02.12 2005 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 315 []
  23. BGH, Urteil vom 12.07.1996 – V ZR 117/95, BGHZ 133, 246, 250 []
  24. BGH, Urteil vom 12.07.1996 – V ZR 117/95, aaO, S. 251 []
  25. zu diesem Maßstab: BGH, Urteil vom 12.07.1996 – V ZR 117/95, aaO, S. 250 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 25.02.1960 – II ZR 125/58, BGHZ 32, 76, 92 []
  26. zu § 989 BGB: RGZ 56, 313, 326; NK-BGB/Schanbacher, 3. Aufl., § 989 Rn. 13; Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 989 Rn. 18; Soergel/Stadler, BGB, 13. Aufl., § 989 Rn. 12; zu der Verweisung in § 347 Satz 1 BGB a.F. auf § 989 BGB: BGH, Urteil vom 29.01.1993 – V ZR 160/91, NJW-RR 1993, 626, 627 []
  27. Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 3, S. 410 Fn. 25; Hedemann, Sachenrecht, 3. Aufl., S.193; Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation, S. 147 Fn. 506; Planck/Brodmann, BGB, 5. Aufl., § 989 Anm. 3 []
  28. Westermann, Sachenrecht, 5. Aufl., S. 152; Westermann/Pinger, Sachenrecht, 6. Aufl., S. 217; Wieling, MDR 1972, 645, 646 f. []
  29. BGH, Urteil vom 05.05.1982 – VIII ZR 162/81, NJW 1982, 1751; BGH, Urteil vom 29.01.1993 – V ZR 160/91, NJW-RR 1993, 626, 627; Bamberger-Roth/Fritzsche, 3. Aufl., § 989 Rn. 14; NK-BGB/Schanbacher, 3. Aufl., § 989 Rn. 18; Soergel/Stadler, BGB, 13. Aufl., § 989 Rn. 16; Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB [2009], § 292 Rn. 10; Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 989 Rn. 24 []
  30. Motive III, 3. 408 und Denkschrift zum Sachenrecht, S. 132 = Mugdan, Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. – III S. 227 und S. 978 []
  31. BGH, Urteil vom 29.01.1993 – V ZR 160/91, NJW-RR 1993, 626, 627 []
  32. BGH, Urteil vom 11.10.1979 – VII ZR 285/78, BGHZ 75, 203, 205 ff. und Urteil vom 25.03.1982 – VII ZR 60/81, BGHZ 83, 293, 300 beide zu § 281 BGB a.F. []
  33. BGH, Urteil vom 12.11.2008 – XII ZR 134/04, NJW 2009, 1343 Rn. 41; Urteil vom 15.11.2012 – IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12 []
  34. BGH, Urteil vom 08.07.1954 – IV ZR 31/54, LM Nr. 4 zu § 366 HGB; Urteil vom 21.02.1962 – VIII ZR 190/60, WM 1962, 507, 509; Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 989 Rn. 34 mwN []
  35. BGH, Urteil vom 21.02.1962 – VIII ZR 190/60, aaO []
  36. RGZ 137, 171, 179; 151, 361, 376; jurisPK-BGB/Martinek, § 819 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Schwab, 6. Aufl., § 819 Rn. 5; aA Bamberger-Roth/Wendehorst, 3. Auflage, § 819 Rn. 4 []
  37. vgl. BGH, Urteil vom 22.09.1980 – II ZR 271/79, WM 1980, 1451, 1452 []
  38. vgl. BGH, Urteil vom 25.03.1968 – II ZR 208/64, BGHZ 50, 112, 115 []
  39. vgl. BGH, Urteil vom 14.10.1971 – VII ZR 313/69, BGHZ 57, 137, 152 []
  40. vgl. BGH, Urteil vom 17.04.1958 – II ZR 355/56, NJW 1958, 1040, 1041 []
  41. BGH, Beschluss vom 16.06.2000 BLw 30/99, WM 2000, 2555 []