Das Wiederaufnahmeverfahren: Letzte Chance bei rechtskräftigem Urteil

Normalerweise gibt es kein Zurück mehr, wenn ein Urteil erst einmal rechtskräftig ist. Dann kann es in der Regel auch nicht mehr angegriffen werden, und die Strafe muss akzeptiert werden. Im Prinzip geht es darum, dass ein Verfahren endgültig abgeschlossen wird und nicht mehr neu aufgerollt werden kann. Gerichtsverfahren sind für alle Beteiligten sehr nervenaufreibend, so dass eigentlich jeder froh ist, wenn endlich Ruhe einkehrt. Ist das Urteil rechtskräftig, dann kann man von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit sprechen.

Es gibt jedoch eine allerletzte Gelegenheit für eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Das Wiederaufnahmeverfahren bietet die Chance, auf Fehlentscheidungen aufmerksam zu machen und die Rechtskraft aufzuheben. Ein entsprechender Antrag kann wahlweise von der Staatsanwaltschaft oder dem Verurteilten eingereicht werden. Im Gegensatz zur Revision oder Berufung ist das Wiederaufnahmeverfahren kein übliches Rechtsmittel, sondern wird als „Rechtsbehelf eigener Art“ bezeichnet. Der Antrag hebt keinesfalls die Strafe auf, diese wird bis zu einer Entscheidung dennoch vollstreckt.

Die drei Stufen des Wiederaufnahmeverfahrens

Grundsätzlich verläuft ein Wiederaufnahmeverfahren immer in drei Stufen. Zunächst einmal muss man das Aditionsverfahren durchlaufen, bei dem überprüft wird, ob der Antrag auf Wiederaufnahme überhaupt zulässig ist. Dabei muss der Antragsteller auch nachvollziehbar begründen, warum er eine Wiederaufnahme des Verfahrens fordert. Daran schließt sich das so genannte Probationsverfahren an, bei dem der Richter prüfen muss, ob der genannte Grund auch wirklich gegeben ist. Schließlich kann es am Ende zu einer Neuverhandlung des Falls kommen, sofern die Begründung anerkannt wurde. Bei einer Neuverhandlung verfällt das bisherige Urteil, denn es wird zum Schluss ein neues gefällt.

Leider ist das Wiederaufnahmeverfahren eher selten erfolgreich, zudem ist es enorm komplex. Die Schwierigkeiten beginnen bereits beim Antrag, denn Gesetze stellen den Antragsteller oftmals vor große Herausforderungen. Aus diesem Grund verlangt der Gesetzgeber auch die Beauftragung eines Rechtsanwalts. Somit muss der Antrag zur Wiederaufnahme auch von einem Rechtsanwalt unterschrieben werden. Auch bei der Vorbereitung des Wiederaufnahmeverfahrens muss ein Rechtsanwalt zur Unterstützung mit ins Boot geholt werden.

Wann ist eine Wiederaufnahme überhaupt zulässig?

Wann einem Wiederaufnahmeantrag stattgegeben werden darf, ist gesetzlich genau festgelegt. Hat es sich beispielsweise herausgestellt, dass eine Urkunde, die bei der Verhandlung vorgelegt wurde, falsch war, kann eine Wiederaufnahme beantragt werden. Darüber hinaus wäre ein triftiger Grund auch eine Zeugenaussage, die falsch und uneidlich war und den Verurteilten belastete. Ein Wiederaufnahmegrund liegt demnach immer vor, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die sich auf das Urteil und das Strafmaß auswirken könnten.

Auf keinen Fall kann die Änderung oder der Wegfall eines Gesetzes als Grund für ein Wiederaufnahmeverfahren herangezogen werden. Das Oberlandesgericht Thürigen entschied diesbezüglich, dass Tatsachen nicht neu sind, nur weil sie im schriftlichen Urteil keine Erwähnung fanden. Von neuen Tatsachen kann nur dann die Rede sein, wenn sie während der Hauptverhandlung nicht erwähnt wurden. Dabei ist es vollkommen egal, ob sie letztendlich mit in die Urteilsgründe eingeflossen sind. Wurde ein Zeuge in der Verhandlung vernommen, seine Aussage war jedoch missverständlich oder wurde nicht berücksichtigt, kann er nicht als neues Beweismittel gelten.

Neue Beweismittel können zur Entlastung beitragen

Wenn es um neue Beweismittel geht, dann muss es sich also tatsächlich um solche handeln, die bisher nicht bekannt waren oder nicht genutzt wurden. Sie müssen sich immer dazu anbieten, dass sie zusammen mit anderen Beweismitteln zu einer Entlastung des Verurteilten führen können. In der Folge könnte das Strafmaß milder ausfallen, und eventuell würde sogar eine Freisprechung erfolgen.

Oftmals handelt es sich um Zeugen, die bislang nicht verhört wurden oder die zu anderen Tatsachen ausgesagt haben. Unter Umständen wurde bei der Hauptverhandlung auch die Aussage verweigert. Auch ein Sachverständiger kann zum Beweismittel werden, falls das Gericht einen solchen hätte bestellen müssen, dies aber nicht getan hat. Ein Zeuge ist allerdings nutzlos, falls er von Geschehnissen erzählen soll, die viele Jahre zurückliegen. In diesem Fall muss man aufgrund der langen Zeitspanne am Erinnerungsvermögen zweifeln. Auch ein Lügendetektortest wird vor Gericht nicht als Beweismittel anerkannt. Wenn ein Antrag zur Wiederaufnahme gestellt wird, dann müssen gewisse Zielsetzungen realistisch sein. Im besten Fall kommt es zum Freispruch für den Verurteilten. Eventuell wird auch das Verfahren eingestellt, weil bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Vielleicht entfällt die Strafe nicht ganz, wird aber deutlich milder ausfallen. Ein Risiko ist das Wiederaufnahmeverfahren für den Antragsteller nicht. Schlimmstenfalls bleibt er allerdings auf den Kosten sitzen.